06.02.2004

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*   KOMMENTAR: Grenzen der Wahrheitsfindung 
Von Pascal Beucker

Der Freispruch Mzoudis ist richtig - aber unbefriedigend.

Auch wenn das Urteil im zweiten Hamburger Terrorprozess um die Anschläge vom 11. September 2001 keine Überraschung mehr war, so fällten die Richter doch eine mutige Entscheidung. Denn der politische Druck, Abdelghani Mzoudi zu verurteilen, war enorm. Sich diesem nicht gebeugt zu haben, ist ein Sieg des Rechtsstaats. Denn der Vorsitzende Richter Klaus Rühle hat Recht, wenn er in seiner Urteilsbegründung konstatiert: "Wenn der Grundsatz ,im Zweifel für den Angeklagten' nicht mehr gilt, dann hätten die Terroristen ihr Ziel, den Rechtsstaat zu beschädigen, erreicht."

Trotzdem: Der Freispruch für Mzoudi ist fatal - genau wie die Verurteilung Motassadeqs im ersten Hamburger Verfahren. Denn beide Prozesse waren davon geprägt, dass die Strafkammer des Oberlandesgerichtes der Erwartung ausgesetzt war, vermeintliche Mitschuldige der Anschläge ohne das erforderliche Beweismaterial zur Verantwortung zu ziehen. Bei al-Motassadeq beugte sich das Gericht, im Fall Mzoudis nicht. Nur: Ob die beiden nun tatsächlich schuldig oder unschuldig sind, konnte nicht geklärt werden. Die Verantwortung für das Debakel tragen in erster Linie die USA. Die besondere Art der Terrorismusbekämpfung, die dort seit dem 11. September 2001 praktiziert wird, macht die gerichtliche Wahrheitsfindung unmöglich. Eine Justiz à la Guantánamo, bei der sich Militär und Geheimdienste vorbehalten, was sie einem Gericht vorlegen, muss zu solch katastrophalen Urteilen führen. Von der Bundesregierung wäre allerdings zu erwarten gewesen, dass sie gegenüber den amerikanischen Freunden hartnäckiger auf ein juristisch einwandfreies Verhalten gedrängt hätte.

So jedoch bleibt rechtsstaatlich nichts anderes als ein in dubio pro reo. Das ist allerdings unbefriedigend. Denn es geht um nicht weniger als den Vorwurf der Beihilfe zum Mord in mehr als 3.000 Fällen. Sowohl Mzoudi als auch Motassadeq haben nachweislich in engem Kontakt zum Kreis um den Todespiloten Mohammed Atta gestanden. Die beiden Islamisten haben ein afghanisches Ausbildungslager des Al-Qaida-Netzwerks besucht. Um überzeugte Pazifisten handelt es sich also nicht unbedingt. Nur: Das ist eben noch kein Beweis für ihre Schuld.


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