14.05.2004

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taz

*   Müll-Urteil: Freispruch für SPD-Politiker 
Von Pascal Beucker

Im Prozess um Bestechung beim Bau der Kölner Müllverbrennungsanlage kann weder die Schuld noch die Unschuld des früheren Kölner SPD-Fraktionschefs Rüther bewiesen werden. Einer seiner Mitangeklagten muss dagegen für Jahre hinter Gitter.

Norbert Rüther strahlte wie ein Honigkuchenpferd, und er hatte allen Grund dazu. Mit einem Freispruch endete gestern für das frühere Präsidiumsmitglied der nordrhein-westfälischen SPD der Kölner Müllskandalprozess. Seine Mitangeklagten Ulrich Eisermann und Sigfrid Michelfelder wurden hingegen verurteilt: Eisermann muss wegen Untreue, Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr und Steuerhinterziehung eine Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten antreten. Michelfelder erhielt wegen Beihilfe zur Untreue und Bestechung im geschäftlichen Verkehr eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren sowie eine Geldstrafe von 44.500 Euro. Trotzdem zeigten auch sie sich nicht unzufrieden. Denn mit seinem Urteilsspruch blieb das Gericht deutlich unter den von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafen von sechs Jahren Haft für Eisermann, viereinhalb Jahren für Michelfelder und zweieinhalb Jahren für Rüther.

Sechs Monate war vor der 7. Großen Strafkammer des Kölner Landgerichts verhandelt worden. Es ging um rund 11 Millionen Euro Schmiergelder, die der Gummersbacher Anlagenbauer L&C Steinmüller in den 90er-Jahren eingesetzt hatte, um eine knapp 405 Millionen Euro teure Müllverbrennungsanlage (MVA) im Kölner Stadtteil Niehl bauen zu dürfen. Der vormalige städtische Spitzenbeamte Eisermann leitete damals die Abfallentsorgungs- und Verwertungsgesellschaft (AVG), die die Stadt zum Bau und Betrieb der Müllverbrennungsanlage gegründet hatte. Er wurde mit fast 5 Millionen Euro aus dem Schmiergeldtopf bedient. Michelfelder war Vorsitzender der Geschäftsführung Steinmüllers, verteilte das Geld und steckte auch selber mindestens eine halbe Million Euro ein. Beide hatten Geständnisse abgelegt. Eisermann hatte zudem ausgesagt, er habe Rüther eine Million Euro abgegeben. Der frühere Kölner SPD-Stadtratsfraktionschef und Landtagsabgeordnete hatte die Annahme des Geldes stets bestritten.

Die Kammer, so führte der Vorsitzende Richter Martin Baur gestern in seiner Urteilsbegründung aus, hätte den Sachverhalt nicht aufklären können. So habe weder die Unschuld noch die Schuld des 53-Jährigen bewiesen werden können. "Rüther war freizusprechen, weil die Beweislage nun mal so war, wie sie war", konstatierte Baur leicht resigniert.

Der Prozess krankte daran, dass zwei Mitbeschuldigte auf der Anklagebank fehlten: der frühere Viersener "Müll-König" Hellmut Trienekens und der Ex-SPD-Bundespolitiker Karl Wienand. Richter Baur machte deutlich, dass er sie für wichtige Beteiligte an der "Unrechtsvereinbarung" hält. Doch die Verfahren gegen die beiden mussten wegen ihrer angeschlagenen Gesundheit abgetrennt werden.

Die Staatsanwaltschaft kündigte bereits Revision vor dem Bundesgerichtshof an. Angesichts der Schadenshöhe von über zwölf Millionen Euro seien die Strafen und vor allem auch der Freispruch für Rüther zu wenig, sagte Behördensprecherin Regine Appenrodt.


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