23.07.2004

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taz

*   KOMMENTAR: Mannesmann-Freispruch: Gier ist nicht strafbar 
Von Pascal Beucker

Auch wenn sich nicht wenige ein anderes Urteil erhofft haben werden: Alles andere als ein Freispruch für die Angeklagten im Mannesmann-Prozess wäre eine große Überraschung gewesen. Das Urteil ist kein Grund für übermäßige Enttäuschung. Denn es war bereits ein Erfolg, dass überhaupt ein Prozess geführt wurde.

Der pädagogische Aspekt eines Gerichtsprozesses darf nicht unterschätzt werden. Vielleicht sorgt er zumindest dafür, dass die Topmanager dann, wenn sie sich das nächste Mal Millionen zuschustern wollen, alles dafür tun werden, geschickter vorzugehen. Vielleicht findet sogar in manchen Chefetagen ein Umdenken statt. Vielleicht wird die dortige Selbstbedienungsmentalität etwas gezügelt. Und: Auf den Hauptversammlungen der Aktionäre wird nun sicherlich strenger darauf geachtet, was mit dem Geld ihres Unternehmens eigentlich passiert.

Zu hoffen ist zudem, dass nun auch die gewerkschaftlichen Vertreter in den Aufsichtsräten noch lange an diesen Prozess denken und demnächst mit Nein stimmen werden, wenn mal wieder Vorstandsgehälter exorbitant erhöht oder "Anerkennungsprämien" an Manager ausgeschüttet werden sollen. Denn in Düsseldorf stand nicht nur "die Gier der Manager" vor Gericht, wie der DGB jetzt verkündet. Angeklagt war auch die Willfährigkeit der Gewerkschaften. Gerade ihnen sollten die Ausführungen der Richterin Koppenhöfer über das grenzenlos opportunistische Handeln Klaus Zwickels und der IG Metall in den Ohren klingen: Da gab die Gewerkschaft erstunkene und erlogene Pressemitteilungen heraus, in denen ihr großer Vorsitzender klassenkämpferische Töne spuckte. Bei Mannesmann segnete Zwickel hingegen auch noch die absurdeste "Prämie" ab - und bat anschließend darum, Protokolle so umzuformulieren, dass es nicht so auffällt. Solche "Arbeitnehmervertreter" - und es wäre blauäugig zu glauben, der Ex-IG-Metall-Chef sei ein Einzelfall - sind eine Einladung zur Skrupellosigkeit.

Die Frage nach der Rechtfertigung der Höhe von Managergehältern und -abfindungen ist mit dem Strafrecht nicht zu beantworten. Das ist eine Frage gesellschaftlicher Auseinandersetzung. Aber wen überkam nicht ein gewisses Gefühl der Genugtuung dabei, Ackermann, Esser & Co. ein halbes Jahr lang Woche für Woche auf der Anklagebank zu sehen statt in ihren noblen Vorstandszimmern? Auch deswegen war es gut, dass dieser Prozess überhaupt stattgefunden hat.


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