05.08.2004

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taz

*   Jörg Immendorff: Peinlicher Prozess (KOMMENTAR)
Von Pascal Beucker

Trotz des letztendlich akzeptablen Urteils bleibt der Prozess gegen den Maler Jörg Immendorff vor dem Düsseldorfer Landgericht ein Skandal: Was soll der Nutzen gewesen sein, einen nachweislich todkranken Menschen auf die Anklagebank in einem öffentlichen Strafprozess zu zwingen?

Mit seinen "erotischen Inszenierungen" mit unzähligen Prostituierten, Kokain und noch mehr Alkohol in einem Düsseldorfer Luxushotel habe er seine "Lebensgier" befriedigen wollen, hat Immendorff ausgesagt. Wer will, mag das moralisch anstößig finden - oder auch nicht.

Auf jeden Fall anstößig ist hingegen, dass und wie der Prozess wegen ein paar Gramm Koks gegen den Künstler geführt wurde. Immendorff hat gegen das Gesetz verstoßen und ist dafür bestraft worden. Aber musste er zusätzlich durch eine derartige Schauverhandlung bestraft werden? Er hat niemandem - außer vielleicht sich selbst - geschadet. Er war vor Prozessbeginn umfassend geständig und hat sich in allen Punkten schuldig bekannt. Was will man von einem Angeklagten mehr?

Ein weniger prominenter Zeitgenosse wäre - wenn überhaupt - nicht vor dem Land-, sondern vor dem Schöffengericht angeklagt worden und hätte selbiges wohl nach zwei Stunden wieder verlassen können. Aber hier sollte ein Exempel an einem prominenten Künstler statuiert werden. Deswegen wurde Immendorff der enervierenden Hauptverhandlung vor einer Großen Strafkammer ausgesetzt. Deswegen unterzog ihn der Vorsitzende Richter gleich zu Prozessbeginn einem inquisitorischen Verhör. Die hochnotpeinliche Art der stundenlangen Befragung zu Immendorffs sexueller Veranlagung mochte die Erwartungen eines lüsternen Publikums befriedigen. Der Wahrheitsfindung und Gerechtigkeit diente sie sicherlich nicht. Ein Richter hat kein Recht, in dieser Weise die Würde eines sterbenskranken Menschen zu verletzen.

Jörg Immendorff wird mit der gestern verhängten elfmonatigen Bewährungsstrafe leben können. Nur leben eben, das wird er nicht mehr lange. Er leidet an der Amyotrophen Lateralsklerose, die unweigerlich zum Tode führt. Die tückische und unheilbare Nervenkrankheit ist bei ihm bereits weit fortgeschritten. Zwei Wochen der ihm noch verbleibenden kostbaren Zeit im Café Deutschland hat Immendorff nun in einem Düsseldorfer Gerichtssaal verbringen müssen. Warum nur?


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