21.09.2004

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taz

*   Schwarze Zukunft
Von Pascal Beucker

Institut RWI lehnt Neubau einer Zeche bei Hamm ab. Hohe Kohlepreise seien nicht von Dauer. Rot-Grün denkt nach.

Seinen Vorstoß hätte der Essener RAG-Chef Werner Müller gar nicht passender platzieren können: mitten in den nordrhein-westfälischen Kommunalwahlkampf. Angesichts der explodierenden Weltmarktpreise für Kohle und Koks sei sein Konzern bereit, eine neue Kokskohlenzeche in der Nähe von Hamm zu bauen und zu betreiben, verkündete der frühere Bundeswirtschaftsminister.

Wahlkampfmunition für die Genossen: Alle, die die deutsche Steinkohle schon abgeschrieben hätten, seien nun ganz "nachdenklich und vorsichtig" geworden, jubiliert bereits SPD-Chef Müntefering: "Wir brauchen eine solche Debatte." Allerdings haben die Pläne Müllers einen Haken: Die Investitionen von schätzungsweise 800 Millionen Euro solle der Staat vorschießen, meint er. "Wir sind bereit, auf jeden Gewinn zu verzichten, wenn jemand anderes das Risiko trägt", so Müller. Mit Subventionen habe das indes nichts zu tun: "Wenn die Kokspreise 15 Jahre lang auf dem Weltmarkt so teuer blieben, wäre eine neue Zeche plus Kokerei staatsfrei sehr profitabel."

Beim Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen stoßen die Überlegungen allerdings auf große Skepsis. Von einem Zechenneubau halte er "eigentlich gar nichts", sagte Manuel Frondel der taz. Der RAG-Chef wolle "offenbar nur die Gunst der Stunde nutzen, um letztendlich mehr Subventionen zu ergattern", warnte der Leiter des Forschungsbereiches Umwelt und Ressourcen. Frondel bezweifelt die perspektivische Wirtschaftlichkeit eines Ausbaus der Kokereikapazitäten und der Kohleförderung in der Bundesrepublik. Entsprechend könnten die Folgen einer neuen Zeche fatal sein. Sie berge ein "eminentes Risiko, denn die Preis-Hausse wird nicht von Dauer sein". Mittelfristig werde das Angebot an Kokskohle wieder ausreichend sein und somit auch die Preise fallen. Dann jedoch stünde im Ruhrgebiet "über Jahrzehnte eine Zeche, die der Subvention bedarf, und das Gejammer wird groß sein". Die Vorstellung der RAG, dass die Stahlunternehmen im Falle eines Sinkens des Weltmarktpreises unter 200 Euro zu einem Ausgleich bereit wären, indem sie auch dann weiter den vereinbarten Festpreis von 200 Euro je Tonne zahlen, hält der Energieexperte nicht für realitätstauglich. "Das kann ich mir nicht vorstellen, denn das wäre eine Art Planwirtschaft", so Frondel.

Anders als bei der SPD hält sich bei den drei anderen im Düsseldorfer Landtag vertretenen Parteien die Begeisterung in Grenzen. "Allein schon die bizarre Diskussion vermittelt den verheerenden Eindruck, als marschiere NRW wieder zurück in die industriepolitische Vergangenheit", kritisierte der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Gerhard Papke. Auch CDU-Landtagsfraktionschef Jürgen Rüttgers wandte sich strikt gegen einen Zechenneubau und forderte, die Steinkohlesubventionen bis 2010 zu halbieren. Stattdessen sollten fünf Milliarden Euro in Zukunftstechnologien wie die Nanotechnologie investieren werden.

Nicht ganz so schroff fällt hingegen die Reaktion des grünen Reiner Priggen aus. "Die Grundlinie ist klar: keine zusätzlichen staatlichen Subventionen", sagte der Vizechef der Landtagsfraktion und energiepolitische Sprecher. Aber: Falls sich die Industrie maßgeblich beteilige und außerdem im Gegenzug für die neue Zeche in Hamm das hochwassergefährdete Bergwerk West in Kamp-Lintfort geschlossen würde, "können wir darüber reden".


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