17.01.2004

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taz

*   BUND: Genbastler, macht euch vom Acker
Von Pascal Beucker

Die Kölner Gruppe des Umweltverbandes fordert den Rat auf, keinen Anbau von genmanipulierten Pflanzen auf kommunalen Flächen zuzulassen. Trotz früherer Widerstände gegen Freilandversuche gilt Köln als ein Zentrum für "grüne Gentechnologie".

Als Reaktion auf das von Bundesverbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) angekündigte neue Gentechnikgesetz hat der Kölner BUND den Stadtrat aufgefordert, keinen Anbau von genmanipulierten Pflanzen auf stadteigenen Ackerflächen zuzulassen. Da die Risiken der "grünen Gentechnik" für die Gesundheit immer noch nicht wissenschaftlich ausgeschlossen werden könnten und besonders das Auslösen von Allergien eine Gefahr darstelle, müsse Vorsorge höchste Priorität haben, so BUND-Vorstandsfrau Christine Zechner. Die Initiative der Kölner BUND-Kreisgruppe ist Teil einer bundesweiten Kampagne der Umweltorganisation unter dem Motto "Keine Gentechnik auf kommunalen Flächen".

Da der Pollenflug der Pflanzen weder zu kontrollieren noch einzudämmen ist, befürchtet Zechner, dass es auch in Köln zu Kreuzungen und Verunreinigungen bei nicht-manipulierten Pflanzen kommen und somit eine Gentechnikfreiheit auf Kölner Äckern nicht mehr gewährleistet sein könnte. Damit sei auch der Ökolandbau in Köln und Umgebung existenziell bedroht. "Wir appellieren an den Kölner Rat und die Fraktionen, sich energisch für Gentechnikfreiheit und den Erhalt der natürlichen Flora und Fauna einzusetzen", so Zechner. Sie fordert, dass Flächen, die sich in kommunalem Besitz befinden, offiziell von gentechnisch manipulierten Organismen frei gehalten werden.

Selbst wenn auf Bundesebene ein Nebeneinander von genmanipulierten und nicht-genmanipulierten Feldern erlaubt werden sollte, wäre es sinnvoll, mit den Landwirten der Region eine Selbstverpflichtung zu erarbeiten und zu vereinbaren, auf den Einsatz von Gentechnik im Saatgut komplett zu verzichten, regt der BUND an. Solche Selbstverpflichtungen existieren bereits in verschiedenen Regionen der Bundesrepublik. So gibt es beispielsweise in der Rhön, in Mecklenburg-Vorpommern und der brandenburgischen Uckermark Regionen, die gentechnikfrei bleiben wollen. Unklar ist jedoch, ob solche freiwilligen Verpflichtungen juristisch Bestand vor der EU haben. So erklärten EU-Gerichte einen Vorstoß Oberösterreichs für nichtig, das sich im vergangenen Jahr zur gentechnikfreien Zone erklärt hatte. Für den BUND sind solche Selbstverpflichtungen - die auch von Künast und der nordrhein-westfälischen Verbraucherschutzministerin Bärbel Höhn (Grüne) begrüßt werden - trotzdem weiterhin ein gangbarer Weg. Denn, so mahnt Christine Zechner: "Wehret den Anfängen, die Folgen für uns und unsere nachfolgenden Generationen sind nicht abzuschätzen."

Das Problem: Den Anfängen zu wehren, kommt in Köln etwas spät. Denn die liegen in der Domstadt schon weit über ein Jahrzehnt zurück. Schließlich gilt die Rheinmetropole als Vorreiter in Sachen "grüner Gentechnologie". Hier startete bereits im Mai 1990 der erste Freilandversuch mit gentechnisch veränderten Organismen in der Bundesrepublik. Das Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung (MPIZ) pflanzte seinerzeit 30.000 Petunien, denen ein aus Mais isoliertes Gen und ein Resistenzgen gegen das Antibiotikum Kanamycin eingebaut worden war, auf ein Versuchsfeld im Kölner Stadtteil Vogelsang. Die manipulierten Petunien waren daran erkennbar, dass die eigentlich weißen Balkonpflanzen eine lachsrote Farbe hatten. Die Freisetzung war "freihändig", sprich: ohne Rechtsgrundlage, genehmigt worden. Denn das Gentechnikgesetz, das Künast jetzt novellieren will, passierte erst wenige Tage vor Versuchsbeginn und somit lange nach der Genehmigung den Bundesrat.

Bei dem heftig umstrittenen Versuch ging es um die Erforschung des seltenen Phänomens "springender Gene", das die Kölner Forscher anhand einer Veränderung der Blütenfarbe beobachten wollten. Aber sie hatten die Hitzewelle des folgenden Sommers nicht einkalkuliert: Ob mit oder ohne "springendem Gen" verblassten praktisch alle Pflanzen und blühten danach in allen möglichen Farbschattierungen weiter. Das Experiment war somit wissenschaftlich ein Fehlschlag. Allerdings mutmaßten Kritiker von Anfang an, dass es ohnehin weniger um die Forschung, als vielmehr vor allem um eine Werbemaßnahme für die Gentechnik gegangen sei. Die "Genbastler" wollten "mit den netten Balkonpflanzen Akzeptanz und Gewöhnung bei der Bevölkerung erreichen", kritisierte damals die Kölner Initiative "Bürger beobachten Petunien". Der Versuch diene somit nur dazu, "eine Lokomotivfunktion für weitere Freisetzungen zu übernehmen". Und so war es auch.

Allerdings waren die von "Bürger beobachten Petunien" organisierten Proteste derartig massiv, dass noch drei Jahre später in einer Debatte des sachsen-anhaltinischen Landtags über den Umgang mit der Gentechnik Redner vor den angeblich "Hundertschaften von kriegsbereiten Freisetzungsgegnern" erschauderten und davor warnten, es dürfe "nicht dazu kommen, dass hier eine ähnliche Atmosphäre erzeugt wird, wie sie damals in Köln-Vogelsang bestand".

Doch trotz aller Widerstände in der Bevölkerung gilt Köln inzwischen als ein Zentrum für die "Grüne Gentechnologie". Dafür stehen neben dem auf dem Carl-von-Linné-Weg beheimateten MPIZ, das bis heute Freilandversuche in Köln durchführt, das rechtsrheinische Technologiezentrum RTZ, das Institut für Gentechnik und die Lobbyorganisation BioGentech NRW. Darüber hinaus kann sich Köln noch der Nachbarschaft von Milteny Biotechnics in Bergisch Gladbach und nicht zuletzt des Leverkusener Bayer-Konzerns erfreuen, der seit über 30 Jahren auf die Gentechnik setzt und heute weltweit zu den führenden Konzernen in diesem Bereich gehört.


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