26.01.2004

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taz

*   KOMMENTAR: Kein Symbol für Emanzipation
Von Pascal Beucker

In der aktuellen Kopftuchdebatte hat die Kölner Bundestagsabgeordnete Lale Akgün kürzlich festgestellt: "Es ist grotesk, die demonstrative Unterordnung unter ein Symbol der Geschlechtertrennung als ,Emanzipation' zu bezeichnen und darin gewissermaßen den ,Normalfall' weiblicher muslimischer Existenz zu sehen." Wer wirklich "Emanzipation im Sinne der Aufklärung und des Humanismus" wolle, so die Islam-Beauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, "der schaut kritisch auf einen Kopftuchdiskurs, bei dem es nicht um die einzelne muslimische Frau geht, sondern um die religiös-kulturelle Deutungsmacht innerhalb des Islam".

Damit hat sie Recht. Da mögen sich die Demonstrierenden am Samstag vor dem Kölner Dom noch so sehr rhetorisch camouflieren: Den organisierten Protagonisten des Kopftuchs geht es um nicht weniger als die Durchsetzung einer islamistischen und entsprechend antihumanistischen Tendenz innerhalb der islamischen Community - einer, die zum Glück immer noch in einer deutlichen Minderheit ist.

Trotzdem: Wer am Samstag Mittag etwa jenem Mann zuhören musste, der am Rande des Roncalliplatzes stehend das Geschehen beobachtete, der verspürte unweigerlich den Drang, sich unverzüglich den dort Demonstrierenden anzuschließen. Das "gesunde deutsche Volksempfinden" in seiner vollsten Pracht: "Raus mit dem ganzen Pack", ereiferte sich der Mittvierziger. Und: "Das müssen wir uns mal bei denen erlauben." Es sind solche Leute, die die Diskussion um das islamische Kopftuch so problematisch machen.

Die meisten von ihnen wagen sich zwar nicht, derartig offen ihre rassistische Gesinnung zu artikulieren. Aber das sollte nicht darüber hinwegtäuschen: Die Anzahl derjenigen, die Menschen islamischen Glaubens nicht als Bestandteil der bundesdeutschen Gesellschaft begreifen, ist immer noch erschreckend hoch. Diplomatischer als es der Schnauzbartträger am Roncalliplatz formuliert hat, sprechen viele allerdings lieber von der zu bewahrenden "deutschen Identität" oder auch den zu verteidigenden "christlichen Werten". Der CDU-Politiker Merz hat dafür vor einiger Zeit den Begriff der "Leitkultur" geprägt, die es zu schützen und durchsetzen gelte.

Von solchem ausgrenzenden Denken ist auch der Kopftuchstreit durchzogen: Da werden Kopftuchverbote ausgerechnet von jenen Unionspolitikern gefordert, die am liebsten auf jedem Klo ein Kreuz hängen hätten und noch heute über das Karlsruher "Kruzifix-Urteil" lautstark lamentieren.

Bundespräsident Johannes Rau dagegen hat sich gegen ein Kopftuchverbot ausgesprochen, weil es "der erste Schritt auf dem Weg in einen laizistischen Staat ist, der religiöse Zeichen und Symbole aus dem öffentlichen Leben verbannt". Ach, wenn es denn nur so wäre! Die Bundesrepublik ein laizistischer Staat - das wird wohl leider noch lange ein aufklärerischer Traum bleiben. Wahrscheinlich sogar noch viel länger, als Meisner Erzbischof in Köln bleiben wird.


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