05.05.2004

Startseite
taz

*   Neuigkeiten aus der Schweiz
Von Pascal Beucker

Kölner Staatsanwaltschaft präsentiert überraschend neuen Zeugen im Müll-Prozess. Der Ex-Chef der Schweizer Geldwaschanlage Stenna wurde hinter den Kulissen vernommen.

Die Staatsanwaltschaft im Kölner Müllskandalprozess ist weiter für Überraschungen gut. Am gestrigen Verhandlungstag überraschte die Anklagebehörde mit einem mehr als 100 Seiten schweren Vernehmungsprotokoll eines Zeugen, der bislang unerreichbar schien. Von Donnerstag bis Montag hatten die Ermittler Arthur A. Hofmann verhört. Der hatte sich bislang geweigert, in Köln auszusagen. Unter der Zusicherung freien Geleits war der frühere Chef der Briefkastenfirma Stenna Umwelttechnik AG nun doch überraschend aus der sicheren Schweiz gekommen, um sich den Fragen der Ermittler zu stellen.

Arthur A. Hofmann ist nicht irgendwer im Müllgeschäft: Seine Stenna soll dem unter Korruptionsverdacht stehenden früheren Viersener Entsorgungsunternehmer Hellmut Trienekens im großen Maßstab als Geldwaschanlage gedient haben.

Nützliche Aufwendungen

Auf die Konten der Mini-Firma, der in dem idyllischen Feriendorf Flims in einem abseits gelegenen Wohnhaus drei Zimmer als Büro zur Verfügung standen, soll der frühere Entsorgungsmulti mindestens 15 Millionen Euro Schwarzgeld geschleust haben, um mit Hilfe "nützlicher Aufwendungen" inländische und ausländische Geschäftsvorhaben voranzutreiben. So sollen nach Erkenntnissen der Bonner Staatsanwaltschaft beispielsweise ein Großteil der mutmaßlichen Bestechungsgelder im Bonner Müllskandal um den früheren CDU-Fraktionschef Reiner Schreiber über die Stenna gelaufen sein. Auch der Ex-Geschäftsführer der Rhein-Sieg-Abfall-Wirtschaftsgesellschaft (RSAG) Karl-Heinz Meys, gegen den zur Zeit vor dem Bonner Landgericht verhandelt wird, soll Trienekens-Millionen über die Schweizer Firma erhalten haben. Hofmann war nicht nur über die Stenna mit Trienekens eng verbändelt: Er saß auch noch gleichzeitig im Verwaltungsrat der Trienekens Schweiz AG.

Nach übereinstimmenden Aussagen mehrerer Beteiligter offerierte Trienekens im November 1993 Hofmann und dessen Stenna AG als Transferstelle für die Zahlung der Schmiergelder des Gummersbacher Anlagenbauers Steinmüller auch dem Kölner Müllofenkartell um Ulrich Eisermann. Entsprechend hatte das Gericht von Anfang an ein erhöhtes Interesse an einer Aussage Hofmanns.

Hofmanns nun getroffene Auskünfte bei der Staatsanwaltschaft könnten einiges durcheinander wirbeln. Denn nach dem, was bisher aus seiner Aussage durchgesickert ist, hat Hofmann eine deutlich von dem bisherigen Erkenntnisstand divergierende Darstellung des über ihn abgewickelten Schmiergeldgeschäfts abgeliefert. Danach soll ihm der Hauptbeschuldigte Ulrich Eisermann nicht als Hauptabkassierer, sondern nur als eine Art Untergebener von Trienekens erschienen sein. So soll Eisermann wesentlich weniger Geld erhalten haben als bisher angenommen. Der Löwenanteil soll vielmehr über den ehemaligen Düsseldorfer SPD-Ratsherrn Kurt Schneider, der für Trienekens als Geldbote fungierte, an den Entsorgungsmulti gegangen sein.

Staatsanwalt soll aussagen

Pikant: Während die Ermittler am vergangenen Donnerstag bereits Hofmann verhörten, hatte Staatsanwalt Robert Bungart sich im Gerichtssaal auch auf bohrende Nachfragen des Vorsitzenden Richters Martin Baur hin unwissend gezeigt. Bungart hatte nur bestätigen wollen, dass es Versuche gebe, Hofmann zu einer Aussage zu bewegen. Entsprechend mürrisch reagierte Baur gestern auf den neuesten Coup der Ermittler. Und er zeigte sich äußerst irritiert, dass Hofmann, der bislang mit internationalem Haftbefehl gesucht wurde, für einen Auftritt im Kölner Prozess Straffreiheit versprochen worden sein soll. Für den kommenden Donnerstag hat Baur nun den Staatsanwalt, der den Schweizer vernahm, als Zeugen vorgeladen.

Inzwischen soll sich Hofmann, Bruder eines einflussreichen Politikers der rechtspopulistischen SVP im Schweizer Ständerat, übrigens nur noch auf seine Immobiliengeschäfte konzentrieren: Im dem Schweizer Kanton Graubünden zugehörigen Flims betreibt er die Immobilien-, Treuhand- und Verwaltungsfirma Hofmann + Spitz, die Ferienhäuser und Eigentumswohnungen erstellt, verwaltet und verkauft. Das Firmenmotto lautet: "Beratung und Verwaltung ist Vertrauenssache."


© Pascal Beucker. Alle Rechte an Inhalt, Gestaltung, Fotos liegen bei dem Autor. Direkte und indirekte Kopien, sowie die Verwendung von Text und Bild nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung des Autors.