11.05.2004

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taz

*   Müllprozesse entsorgt
Von Pascal Beucker

Urteil in Köln könnte diese Woche gefällt werden. In Bonn wird Verfahren gegen Ex-CDU-Fraktionschef nicht eröffnet.

Der Müllskandalprozess liegt in den letzten Zügen. Bereits am Donnerstag könnte die 7. Große Strafkammer des Kölner Landgerichts ihr Urteil sprechen. Das kündigte der Vorsitzende Richter Martin Baur am gestrigen 40. Verhandlungstag an. Ursprünglich war der Prozess, der Mitte November des vergangenen Jahres begonnen hatte, auf 69 Verhandlungstage und bis September angesetzt.

Der gestrige war der kürzeste aller bisherigen Prozesstage in dem Verfahren um rund 11 Millionen Euro Schmiergelder, die beim Bau der Kölner Müllverbrennungsanlage (MVA) geflossen sein sollen: Gerade einmal sieben Minuten dauerte die nachmittägliche Verhandlung. Entgegen den Erwartungen verzichtete die Anklagebehörde auf die Einbringung weiterer Beweisanträge, "um sich nicht dem Verdacht der versuchten Prozessverschleppung auszusetzen", wie Staatsanwalt Robert Bungart sagte. Nach Bungarts Erklärung schloss Baur die Beweisaufnahme. Heute wollen die Staatsanwaltschaft und die Verteidiger der Angeklagten Ulrich Eisermann, Sigfrid Michelfelder und Norbert Rüther ihre Plädoyers halten. Laut Richter Baur wird die Kammer dann je nach Beratungsbedarf entweder schon am Donnerstag oder erst am kommenden Dienstag ihren Urteilsspruch präsentieren.

Unterdessen teilte das Landgericht Bonn gestern mit, dass der Korruptionsprozess gegen den früheren Bonner CDU-Fraktionschef Reiner Schreiber nicht eröffnet wird. Der 62-Jährige sei fortdauernd verhandlungsunfähig, beschied das Gericht. Sowohl die behandelnden Ärzte als auch die vom Gericht eingesetzten Rechtsmediziner und Sachverständigen hätten eine lebensbedrohliche Erkrankung diagnostiziert, so das Gericht. Deswegen sei "die Durchführung einer Hauptverhandlung gegen den Angeschuldigten auf Dauer unmöglich".

Schreiber gilt als Schlüsselfigur im Bonner Müll- und Parteispendenskandal, der auch die örtliche CDU ins Zwielicht brachte. Die Staatsanwaltschaft hatte dem langjährigen Stadtwerke-Chef, der in Zürich über ein Schwarzgeldkonto mit 1,5 Millionen Euro verfügte, Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung im Rahmen der Vergabe von Aufträgen zur Modernisierung von zwei Bonner Heizkraftwerken vorgeworfen. Selbst zugegeben hatte er den Erhalt von Schmiergeldzahlungen in Höhe von rund 750.000 Euro. Das Geld soll unter anderem von dem Anlagenbauer ABB gestammt haben.

Mit der Einstellung des Verfahrens dürften wichtige Vorgänge bei skandalträchtigen rheinischen Müllgeschäften im Dunkeln bleiben. Von Schreiber führten Spuren zum Müllmulti Hellmut Trienekens, der im Kölner Müllskandal eine zentrale Rolle spielt.


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