13.05.2004

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*   Das Personal im Kölner Müllskandalprozess 
Von Pascal Beucker

Der Absahner

Ulrich Eisermann (60) wurde 1991 Leiter der Projektgruppe Abfallverwertungsgesellschaft und war von 1992 bis 2000 Geschäftsführer der Kölner Abfallentsorgungs- und Verwertungsgesellschaft (AVG). Davor hatte er - auch Dank seines SPD-Parteibuchs - eine glänzende Beamtenkarriere zurückgelegt. Sie begann 1967 beim Landschaftsverband Rheinland und endete 1988 mit seinem Aufstieg zum Leiter des Hauptamtes der Stadt Köln. Im Prozess verwies E. stolz darauf darauf, "immer zum frühestmöglichen Zeitpunkt befördert" worden zu sein. Der Hobby-Jäger nahm, wo zu nehmen war: Neben seinem AVG-Gehalt und den Steinmüller-Schmiergeld-Millionen verdiente er während und nach seiner Zeit bei der AVG auch an unzähligen "Beraterverträgen" nicht nur von diversen Trienekens-Gesellschaften. Das brachte ihm monatliche Zusatzeinnahmen von bis zu 50.000 Euro.


Der Geldverteiler

Sigfrid Michelfelder (63) galt bis zu seiner Verhaftung Ende Februar 2002 als einer der Top-Manager der Republik und gehörte dem Präsidium des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) an. Seit Anfang der 90er arbeitete er als Vorsitzender der Geschäftsführung des Gummersbacher Anlagebauers L&C Steinmüller. Dort habe er, so seine Verteidigerin, ein Netz von Korruption vorgefunden, "in das er wie eine Fliege reingestolpert" sei. M. sei daher "nicht Initiator der Geschehnisse, sondern Opfer der Verhältnisse" gewesen. Tatsache ist: Er war der Schmiergeldverteiler, kassierte aber auch selber ab. Nicht nur in Köln - auch bei Geschäften in China steckte er rund eine Million Euro ein. Nach der Übernahme von Steinmüller durch die Deutsche Babcock AG 1998 wurde M. Babcock-Generalbevollmächtigter und Vorsitzender der Geschäftsführung der Babcock Borsig Power GmbH.


Der Ex-Genosse

Norbert Rüther (53) galt als der starke Mann der Kölner Genossen. Er war Chef der SPD-Ratsfraktion, Landtagsabgeordneter und Mitglied des Präsidiums der NRW-SPD - bis er am 4. März 2002 über seine Anwälte mitteilen ließ, dass er von allen Ämtern und Parteifunktionen zurück- und aus der SPD austreten werde. Zum Verhängnis geworden waren ihm illegale Parteispenden - auch von Trienekens und Steinmüller - in Höhe von rund 830.000 Mark, die R. in den 90ern für die SPD gesammelt hatte. Der Großteil dieser "Dankeschön-Spenden" - das System hatte R. von seinen Vorgängern übernommen - wurde mittels fingierter Spendenquittungen in die Parteikasse geschleust. Die SPD-Schwarzgeldpraxis ist allerdings nicht Bestandteil dieses Prozesses. Die hier gegen ihn erhobenen Vorwürfe hat R., der heute wieder als Psychiater arbeitet, stets vehement zurückgewiesen.


Abgetrenntes Verfahren

Zwei fehlen auf der Anklagebank, obwohl sie zentrale Rollen im Kölner Müllskandal gespielt haben: der frühere "Müll-König" Hellmut Trienekens (66) und der Ex-SPD-Politiker Karl Wienand (77). Die Verfahren gegen die beiden wurden aufgrund ihres angeschlagenen Gesundheitszustandes abgetrennt.

Trienekens war Minderheitsgesellschafter der AVG und später auch der Kölner Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB). Warum gerade der Viersener Müllunternehmer als Privater von der Stadt ins Boot geholt wurde, "darüber lässt sich viel spekulieren", befand Staatsanwalt Joachim Roth in seinem Schlussplädoyer. Die von der Landesregierung eingesetzte Anti-Korruptionskommission "Task Force Müll" attestierte T., "ein flächendeckendes Netzwerk der Einflussnahme auf politische Entscheidungsträger" aufgebaut zu haben. Im Juli 2002 wurde dem CDU-Mitglied gegen die Rekordkaution von 100 Millionen Euro Haftverschonung gewährt. Ab September soll sich der nur eingeschränkt verhandlungsfähige T. vor Gericht verantworten - allerdings zunächst "nur" wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung in Millionenhöhe.

Karl Wienand war in der SPD stets der "Mann fürs Grobe". Von Ende der 60er bis Anfang der 70er Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, dann wegen seiner guten Kontakte zu Spitzengenossen gefragter Unternehmensberater, pflasterten Skandale seinen Weg. 1996 wurde er wegen Spionage für die DDR zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt, 1999 begnadigt. W. arbeitete als Berater sowohl für Trienekens als auch für Steinmüller und soll den Schmiergelddeal eingefädelt haben.


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