11.06.2004

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taz

*   Großes Rätseln um die Täter
Von Inge Brunner und Pascal Beucker

Auf der Keupstraße macht sich nach dem Anschlag vom Mittwoch Ratlosigkeit breit. Warum jemand eine solche Tat verüben sollte, können sich die Anwohner nicht erklären. Kölner Polizei ermittelt noch.

Abuzer Calis wollte sich gerade das Gesicht waschen. Da hörte er den mächtigen Knall: eine Explosion, nur ein paar Häuser von seiner Wohnung in der Keupstraße entfernt. Calis eilte zum Fenster. Die Luft war voller Staub, und eine große Druckwelle beugte die Äste der Straßenbäume zur Seite. "Zuerst dachte ich, es wäre eine Gasexplosion", erzählt er.

Das dachte auch zunächst die Kölner Polizei, als sie am Mittwoch Nachmittag am Tatort eintraf. Doch schnell wurden die Beamten eines Besseren belehrt: Hier war eine Nagelbombe detoniert. Die 10 Zentimeter langen Nägel waren bis zu hundert Meter weit durch die Luft geschleudert worden. Sie verletzten 22 Menschen. Zwei der vier Schwerverletzten sind immer noch nicht vernehmungsfähig. Doch zumindest sind sie inzwischen außer Lebensgefahr.

Die Opfer im Alter von 17 bis 68 Jahren und bis auf eine Ausnahme allesamt türkischer Herkunft hatten noch Glück im Unglück: Der Anschlag hätte "zu einer Vielzahl von Toten führen können", so Polizeieinsatzleiter Dieter Klinger. Die Staatsanwaltschaft ermittelt daher wegen versuchten mehrfachen Mordes und der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion.

Dass jemand den Tod vieler unschuldiger Menschen einfach einkalkuliert, kann Calis nicht verstehen. Schließlich habe die Bombe wahllos zufällige Passanten erwischt. "Extremismus jeder Art ist Scheiße. Hier wohnen Menschen vieler Nationen, nicht nur Türken, sondern auch Kurden, Araber und Afrikaner", sagt Calis.

Auch die anderen Anwohner können sich keinen Reim machen. Ein Bandenkrieg? "In den acht Jahren, die ich hier wohne, habe ich von Bandenkriminalität noch nie gehört", sagt Feriz Akpinar, die Inhaberin eines Friseurgeschäfts. Sie kann nicht verstehen, warum die Rettungswagen so lange auf sich warten ließen. "Der erste kam zusammen mit der Feuerwehr schon nach vier Minuten. Der reichte natürlich nicht für alle Verletzten. Und die anderen Wagen kamen erst nach weiteren 20 Minuten". Bis zum Eintreffen der Krankenwagen hätten die Anwohner erste Hilfe geleistet.

Wilhelm Schmitz ist nur froh, dass er noch lebt. "Am Mittwoch so um kurz vor vier habe ich noch vor dem Friseurladen gestanden", sagt Schmitz. "Ich fand es merkwürdig, dass da ein Fahrrad mit einer Plastiktüte so ganz allein herumstand", erinnert er sich. Und zehn Minuten später kam der Knall. Schmitz hatte Glück - er war schon in sicherer Entfernung. Nach den bisherigen Erkenntnissen der Polizei befand sich die Nagelbombe wahrscheinlich "auf oder an" dem Fahrrad, das Schmitz gesehen hatte. Doch genaueres wissen auch die Ermittler noch nicht.


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