08.07.2004

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*   SPD weicht Beamten-Ärger aus
Von Pascal Beucker und Frank Überall

SPD legt Abschaffung des Beamtentums auf Eis: Eine Reform wollen die Genossen dem Bundesrat überlassen. NRW-Grüne kritisieren Entscheidung: "Müssen endlich zu konkreten Schritten kommen."

Die SPD knickt vor der Beamtenlobby ein. Gut ein Jahr nach der Regierungserklärung des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Peer Steinbrück zur weitgehenden Abschaffung des Berufsbeamtentums will seine Landtagsfraktion das Thema jetzt zu den Akten legen. So hofft sie, sich im Vorfeld der anstehenden Wahlen Ärger zu ersparen. Er wolle "nichts übers Knie brechen", sagte SPD-Fraktionschef Edgar Moron.

Statt wie ursprünglich von Rot-Grün geplant per Bundesratinitiative dem Beamtentum zu Leibe zu rücken, beschloss die Fraktion nun, die Landesregierung solle nunmehr nur noch "in den laufenden Beratungen über die Föderalismusreform weiterhin auf eine Übertragung von mehr Zuständigkeiten für Fragen des öffentlichen Dienstrechtes vom Bund auf die Länder hinarbeiten". Außerdem müssten "alle zukünftigen Schritte auf dem Weg zu einer modernen Landesverwaltung" in einem "engen Abstimmungsprozess mit den Beschäftigten und deren Verbänden und Interessenvertretungen entwickelt werden".

"Die SPD sitzt nicht mehr auf der Lokomotive, sondern im Bremserhäuschen", lästerte der grüne Vize-Ministerpräsident Michael Vesper: "Allgemeine Formeln und Bekenntnisse haben wir wirklich genug. Wir müssen endlich zu konkreten Schritten kommen." Die Unterscheidung zwischen Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst sei "unselig und völlig willkürlich".

Der große Koalitionspartner sah das bisher eigentlich genauso, will das aber aus taktischen Gründen nun nicht mehr propagieren. Außer Berlin und Schleswig-Holstein habe kein Bundesland seine Unterstützung für einen Abschied vom Berufsbeamtentum erklärt, sagte der SPD-Landtagsabgeordnete Frank Baranowski der taz: "Es reicht nicht, sich in NRW die Treue zu schwören und dann im Bundesrat zu scheitern." Für die notwendige Grundgesetzänderung wäre immerhin eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig. Sollte eine Abstimmung in der Länderkammer aber nicht zum Erfolg führen, sei das Thema "auf Jahre hinweg nicht mehr auf die Tagesordnung zu bringen".

Noch vor wenigen Monaten hatten Steinbrück und seine NRW-Genossen viel öffentlichen Beifall für ihren harten Kurs gegen das Beamtentum bekommen. Grundsätzlich sollten Beamte künftig für Sozialabgaben und Rentenbeiträge selbst aufkommen, hieß es damals. Außerdem sollte ein dienstrechtlicher Sonderstatus nur noch für eine ganz enge Gruppe gelten, die in hoheitlichen Bereichen wie Polizei und Justiz eingesetzt würden.

Der Bundesvorsitzende des Beamtenbunds, Peter Hessen amüsierte sich bereits über das Einknicken der Genossen: "Das war ein rein strategisches Manöver der Landesregierung vor den nahenden Kommunalwahlen."

Die taz-Autoren Pascal Beucker und Frank Überall haben das Sachbuch "Die Beamtenrepublik" im Campus Verlag veröffentlicht.


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