17.07.2004

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taz

*   Alte Polizeiakten in neuem Licht
Von Pascal Beucker

Nach SEK-Skandal: Todesfälle aus den Jahren 2000 und 2001 werden neu aufgerollt. Spekulationen um Mord an Polizisten weist die Kölner Staatsanwaltschaft zurück.

Vehement hat die Kölner Staatsanwaltschaft Berichte zurückgewiesen, nach denen es bei den Ermittlungen gegen fünf der sieben am Donnerstag vom Dienst suspendierten Polizisten auch um einen Mordvorwurf geht. Auch wenn bei einem Todesfall "immer in alle Richtungen ermittelt" werde, so sei das nicht mehr als "graue Theorie und reine Spekulation", sagte gestern Behördensprecher Günther Feld. Weiterhin beschränkten sich die Vorwürfe gegen die Beamten auf die Straftatbestände der fahrlässigen Tötung, der Körperverletzung im Amt, der Strafvereitelung, des Diebstahls, der Untreue und des unerlaubten Umgangs mit Betäubungsmitteln.

Nach Presseberichten soll der im Februar 2004 bei einer Übung getötete Alexander S. möglicherweise gezielt von Kollegen erschossen worden sein. Demgegenüber betonte Feld: "Es wird derzeit nicht wegen Mordverdachts ermittelt." Nach derzeitigen Erkenntnissen sei der Tod des SEKlers ein Unfall gewesen. Immer noch sei jedoch unklar, warum bei dem nächtlichen Training mit scharfer Munition geschossen wurde.

Die Staatsanwaltschaft untersucht auch einen SEK-Einsatz im Juli 2001 in Hennef neu. Der Fall war eigentlich bereits vor Jahren als Selbsttötung routinemäßig zu den Akten gelegt worden: Mit einem Gewehr bewaffnet, hatte sich der Jagdaufseher und Lagerist Rüdiger H. stundenlang auf einem Firmengelände verschanzt. Bevor der 31-Jährige überwältigt werden konnte, schoss sich der lebensmüde Mann, in dessen Wohnung später fünf Abschiedsbriefe gefunden wurden, in den Kopf. So die bisherige Darstellung.

Inzwischen vermuten die Ermittler jedoch, es könnte sich auch anders abgespielt haben. Denn laut Oberstaatsanwalt Jürgen Kapischke gibt es "gravierende Ungereimtheiten". Der Verdacht: Der tödliche Schuss könnte sich bei dem Versuch eines SEK-Beamten gelöst haben, Rüdiger H. die Waffe aus der Hand zu treten. Nach dem Einsatz soll der Kommandoführer seinen Kollegen befohlen haben, bei eventuellen Nachfragen die Unwahrheit zu sagen und über einen "rundum geglückten Einsatz ohne Fehler" zu sprechen.

Der dritte Fall, der neu aufgerollt wird: Im Dezember 2000 sollen die nun suspendierten SEK-Beamten den Fliesenleger Josef H. aus seinem Lieferwagen gezerrt, mit Schlagstöcken und Fäusten traktiert sowie getreten haben. Hintergrund des brutalen Einsatzes, der auch Aufnahme in den Jahresbericht von amnesty international fand, war die fälschliche Bezichtigung des illegalen Waffenbesitzes durch einen Polizisten, der mit H. im Streit lag. H. leidet bis heute unter den Folgen der Misshandlung.


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