11.08.2004

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*   Verein lehnt Terrorverdacht ab
Von Pascal Beucker

Der in Köln ansässige Verein "Anadolu Federasyonu" will wegen der gewaltsamen Räumung seines "Feriencamps" in Baden-Württemberg Anzeige erstatten.

Der in Köln ansässige Verein "Anadolu Federasyonu" erhebt schwere Vorwürfe gegen die baden-württembergische Polizei. Bei der Räumung eines "Familien- und Jugendcamps" der Föderation Ende vergangener Woche in Eberbach seien die Beamten mit großer Brutalität vorgegangen. In seiner Ehrenfelder Geschäftsstelle präsentierte der türkische Verein gestern zahlreiche der inzwischen nach Köln zurückgekehrten Camp-Teilnehmer, deren blaue Flecken und Schwellungen unübersehbar waren. Auch gegen Kinder seien die Polizisten vorgegangen. "Wir werden Anzeige gegen die Verantwortlichen erstatten", kündigte die Vereinsvorsitzende Nurhan Erdem an.

Der Heidelberger Polizeisprecher Harald Kurzer wies gegenüber der taz die Vorwürfe entschieden zurück. Die Polizei habe keinerlei unverhältnismäßige Gewalt eingesetzt. Gegen Mütter und Kinder sei sie überhaupt nicht vorgegangen. Dass es ansonsten bei der gewaltsamen Trennung von Untergehakten durchaus zu blauen Flecken kommen könne, sei für ihn "gut vorstellbar", so Kurzer. Einige Camp-Teilnehmer hätten auch "getreten, geschlagen und gespuckt". Dabei seien drei Beamte leicht verletzt worden.

Die Polizei hatte das Treffen in Eberbach gewaltsam aufgelöst, weil die Karlsruher Staatsanwaltschaft vermutete, dass dort für die terroristische "Devrimci Halk Kurtulus Partisi - Cephesi" (DHKP-C) geworben würde. Aufgrund einer Mitteilung des baden-württembergischen Verfassungsschutzes waren die Beamten Ende letzter Woche gegen das Zeltlager vorgegangen. Gleichzeitig wurden in Ehrenfeld die Räume des "Anatolischen Volkskultur Hauses", das auch den Verein beherbergt, und die Wohnung der Vorsitzenden durchsucht. Laut Bundeskriminalamt besteht "die hohe Wahrscheinlichkeit", dass es sich bei der Anadolu Federasyonu "um eine der verbotenen DHKP-C zuzurechnende Vereinigung handelt".

Die DHKP-C wurde 1994 nach der Spaltung der 1983 verbotenen "Devrimci Sol" gegründet und wird in der Türkei für den Tod von rund hundert Polizisten und mindestens 80 Zivilisten verantwortlich gemacht. Zu ihren Opfern zählen Politiker, Geschäftsleute sowie zwei pensionierte Generäle. Seit 1998 in der Bundesrepublik verboten, setzte sie die EU im Mai 2002 auf ihre Liste von "Terrororganisationen". Bundesweit verfügt die DHKP-C über etwa 700 Mitglieder, 200 von ihnen kommen aus NRW.

Nurhan Erdem, gegen die bereits seit zwei Jahren wegen des Verdachts der Unterstützung der illegalen Gruppe ermittelt wird, betonte gestern, weder ihr Verein noch sie persönlich unterstützten die DHKP-C. Distanzieren wollte sich die resolute junge Frau jedoch auch auf mehrmalige Nachfrage hin nicht von den marxistisch-leninistischen Pistoleros.


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