30.08.2004

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taz

*   Christdemokratischer Stadtratskandidat unter Verdacht
Von Pascal Beucker

Der Skandal um das Kölner Sondereinsatzkommando zieht seine Kreise: Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft auch gegen Ex-Polizeidirektor Winrich Granitzka. Der Vorwurf gegen den heutigen CDU-Kandidaten: Strafvereitlung. Er soll sich an der Verschleierung einer Einsatzpanne beteiligt haben.

Der jüngste Kölner Polizeiskandal wirft nun auch seinen Schatten auf die bevorstehende Kommunalwahl. Die Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren gegen den CDU-Ratskandidaten Winrich Granitzka eingeleitet. Der 60-Jährige steht in Verdacht, sich während seiner Zeit als Kölner Polizeidirektor der Strafvereitelung schuldig gemacht zu haben. Zu Einzelheiten wollte sich Behördensprecherin Regine Appenrodt aus Rücksicht auf die laufenden Ermittlungen zunächst nicht äußern.

Hintergrund ist ein spektakulärer Einsatz einer Einheit der Spezialeinsatzkommandos (SEK) der Kölner Polizei im Juli 2001. Mit einem Gewehr bewaffnet, hatte sich ein 31-jähriger Jagdaufseher und Lagerist stundenlang auf dem Gelände einer Firma in der Hennefer Ortschaft Greuelsiefen verschanzt. Bevor Rüdiger H. überwältigt werden konnte, schoss sich der lebensmüde Mann in den Kopf.

Als seinerzeit erste Zweifel an dieser offiziellen Darstellung aufkamen, war Granitzka vom Landesinnenministerium mit der Überprüfung des Todesfalles beauftragt worden, stellte jedoch kein Fehlverhalten fest. Das könnte ihm nun zum Verhängnis werden. Denn im Zuge ihrer Ermittlungen wegen skandalöser Vorgänge bei der mittlerweile aufgelösten SEK-Einheit rollte die Staatsanwaltschaft im Sommer dieses Jahres auch den bereits als Selbsttötung zu den Akten gelegten Hennefer Fall neu auf. Die bisherige Darstellung weise "gravierende Ungereimtheiten" auf, konstatierte Oberstaatsanwalt Jürgen Kapischke.

Der Verdacht der Ermittler: Der tödliche Schuss könnte sich bei dem Versuch eines SEK-Beamter gelöst haben, Rüdiger H. die Waffe aus der Hand zu treten. Nach dem Einsatz soll der Kommandoführer seinen Kollegen befohlen haben, bei eventuellen Nachfragen die Unwahrheit zu sagen und über einen "rundum geglückten Einsatz ohne Fehler" zu sprechen.

Granitzka wirft die Staatsanwaltschaft nun vor, möglicherweise bei seiner Untersuchung des Falles wichtige Details verschleiert und sich dadurch der Strafvereitelung schuldig gemacht zu haben. Die genauen Vorwürfe gegen ihn will sie allerdings erst heute bekannt geben. Der fidele Ruheständler, dessen im vergangenen Jahr gegründete"Granitzka Security Consult GmbH" beim Weltjugendtag 2005 für die Sicherheit zuständig sein wird, ist sich indes keiner Schuld bewusst. Die Kölner CDU hat sich hinter ihren Kandidaten gestellt.

Seit Juli dieses Jahres wird gegen mehrere Beamte des Kölner SEK unter anderem wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung, der Körperverletzung im Amt, der Strafvereitelung, des Diebstahls, der Untreue und des Drogenmissbrauchs ermittelt. Sieben der elf Mitglieder der betroffenen 2. SEK-Einheit wurden vom Dienst suspendiert, die komplette Einheit von Polizeipräsident Klaus Steffenhagen aufgelöst. Die Ermittlungen dauern noch an.


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