04.09.2004

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*   Nur mit Sex macht Köln noch Kasse
Von Pascal Beucker und Frank Überall

Kölns Haushaltslage ist desolat. Schwarz-Grün beschränkt sich auf Krisenmanagement. Teil V der taz-Serie zur Kommunalwahl.

Wenn es nach den Organisatoren geht, wird es in der Kölner Innenstadt voll werden: Fußballbegeisterte, wohin das Auge blickt. Doch die, die sich da am 18. September auf dem Neumarkt versammeln werden, sind keine Fans des 1. FC Köln, die allzu vorzeitig den Wiederaufstieg feiern wollen. Nein, es wird kein Fest: Denn die Sportjugend ruft zur Demonstration gegen die Einführung von Hallengebühren.

Damit dürfte eine Woche vor der Kommunalwahl ein Thema wieder in aller Munde sein, das vor allem die derzeitige schwarz-grüne Rathauskoalition eigentlich lieber aus dem Wahlkampf ausblenden würde: die katastrophale Haushaltssituation der Stadt und die bisweilen äußerst unpopulären Maßnahmen, ihrer Herr zu werden.

Horrorszenario

Köln befindet sich in der schlimmsten Finanzkrise seit dem Zweiten Weltkrieg. Immerhin konnte in dieser Legislaturperiode erstmalig kein ausgeglichener Etat mehr vorgelegt werden. Deswegen muss inzwischen Regierungspräsident Jürgen Roters (SPD) die Ausgabenplanung absegnen. Das wiederum ist ein Horrorszenario, das vor allem die CDU stets in vorangegangenen Wahlkämpfen gezeichnet hatte. Damit verliere die Kölner Kommunalpolitik ihre Eigenständigkeit und Entscheidungsfähigkeit, werde praktisch bevormundet aus der Zeughausstraße, warnten die Christdemokraten immer wieder lautstark. Nun ist die Haushaltskontrolle längst Wirklichkeit, und kein Mensch spricht mehr darüber.

Die erste Koalition der jetzt zu Ende gehenden Ratsperiode aus CDU und FDP hatte fast ausschließlich auf die Privatisierung städtischen Besitzes gesetzt, vor allem auf den Verkauf der Wohnungsgesellschaft GAG. Das Geschäft hätte der Stadt 420 Millionen Euro gebracht. Doch nachdem im Januar vergangenen Jahres die Verscherbelung des Kölner Tafelsilbers an Bürgerprotesten und Abweichlern in den eigenen Reihen scheiterte, platzte nicht nur das schwarz-gelbe Bündnis. Denn andere, weitergreifende Konzepte, Geld in die klammen Stadtkassen zu spülen, fehlten.

Die neue schwarz-grüne Koalition jedenfalls übte sich vor allem in Krisenmanagement. Zwar arbeitete sie eine Reihe alternativer Konsolidierungsvorschläge aus. Aber die kamen nur teilweise zum Tragen. So ist an den Verkauf der Anteile von Radio Köln derzeit kaum zu denken; er würde gegenwärtig einfach zu wenig einbringen. Auch ist die Frage offen, ob es den städtischen Tochtergesellschaften wirklich gelingt, ihre Gewinnausschüttungen zugunsten der Stadtkasse drastisch zu erhöhen. Und dann gab es ja auch noch jene glorreiche Idee einer neuen Vergnügungssteuer für Konzerte, Profisportveranstaltungen und Prostitution. Nachdem Konzertagenturen drohten, Köln bei ihren Tourneeplanungen nicht mehr zu berücksichtigen, und Vereine wie der 1. FC Köln rechtliche Schritte prüften, wurden die Pläne Anfang des Jahres von der Ratsmehrheit schnell wieder zu den Akten gelegt - bis auf die Sexsteuer.

Die Vorgabe ist klar: Bis zum Jahr 2012 muss die Stadt ihr Haushaltsloch, das jüngsten Berechnungen zufolge mittlerweile auf 700 Millionen Euro angewachsen ist, ausgleichen. So sieht es das vom Rat beschlossene und vom Kölner Regierungspräsidenten Jürgen Roters genehmigte "Haushaltssicherungskonzept" vor. Es besteht aus zwei Stufen: Bis 2007 muss die Stadt ihre Ausgaben und Einnahmen für den laufenden Etat in Einklang bringen. Danach bleiben weitere fünf Jahre, um die bis 2003 aufgelaufenen Defizite abzutragen. Doch schon jetzt gibt es in der Bezirksregierung erhebliche Zweifel, ob die Stadt bis 2012 tatsächlich ihre Altschulden wird abtragen können und sieht der Regierungspräsident "erhebliche Risiken" in den bisherigen Kölner Sparplänen.

Eine der ersten Aufgaben des neu gewählten Stadtrates wird es sein, einen Doppelhaushalt für die nächsten beiden Jahre zu zimmern. Einfach wird das nicht - und es dürfte schmerzhaft werden. Schließlich hat OB Fritz Schramma (CDU) schon im vergangenen Jahr eine umfangreiche Schließungs- und Streichliste vorgelegt, die nur mit enormen Kraftakten und finanzpolitischen Tricks weitgehend abgewendet werden konnte. Um die Wahlchancen für die regierende Union, aber auch für die Grünen nicht zu gefährden, gibt es derzeit einen Schmalspursparkurs. Viele im Rathaus befürchten aber, dass der Rotstift im nächsten Jahr erst richtig fest angesetzt wird.

Schmalspursparkurs

Was den Service der Stadt angeht, werden die Verantwortlichen weiterhin versuchen, die Situation schön zu reden. Und weiter wird versucht werden, Einsparungen als "Reorganisation" zu verkaufen, beispielsweise, wenn die Schließung von Meldehallen und der Abbau von Kompetenzen in den Bezirksämtern angeblich einen Zugewinn an Service für die Bürger bringen sollen. Die Opposition ist davon überzeugt, dass das Gegenteil der Fall sein wird. Auch der Hinweis der CDU, sie habe ihr Versprechen von 1999 gehalten, dass die Müllgebühren nicht steigen werden, führt in die Irre. Denn im Rat ist jetzt schon jedem klar, dass bereits kurz nach der Wahl die Gebühren angehoben werden.


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