17.09.2004

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taz

*   Früherer Müllkönig auf der Anklagebank
Von Pascal Beucker und Frank Überall

Hellmut Trienekens, der ehemalige Oberboss im NRW-Müllgeschäft, muss sich ab heute wegen Steuerhinterziehung vor dem Kölner Landgericht verantworten. Den herzkranken 66-Jährigen begleiten nicht nur Anwälte. Auch ein Ärzteteam ist vor Ort.

Früher war Hellmut Trienekens ein umtriebiger Mann. Gerne ließ sich der Viersener mit den Mächtigen in Nordrhein-Westfalens Rathäusern blicken. Immer wieder besorgte das CDU-Mitglied Politikern jeglicher Couleur lukrative Pöstchen im Müllgeschäft oder stiftete ihnen großherzig Bares für die Parteikasse. Als einen "Big Spender", der immer "sehr freigiebig" gewesen sei und "alle bedient" habe, beschrieb ihn Kölns Ex-Regierungspräsident Franz-Josef Antwerpes im ersten Kölner Müllskandalprozess. Doch seit dem Auffliegen seiner schmutzigen Müllgeschäfte mag Trienekens gar nicht mehr gerne in der Öffentlichkeit auftreten. Heute wird ihm nicht viel anderes übrig bleiben. Die siebte große Strafkammer des Kölner Landgerichts verhandelt erstmals gegen den Ex-Unternehmer.

Es geht um Steuerhinterziehung in Höhe von rund 3,3 Millionen Euro. Der Anklage zufolge sollen Trienekens-Unternehmen Geld an Scheinfirmen in der Schweiz überwiesen haben, um sich angeblich beraten zu lassen. In vielen Fällen sei eine solche Dienstleistung aber gar nicht erfolgt, haben die Ermittler festgestellt. "Das Geld wurde deshalb zu Unrecht als Betriebsausgabe von der Steuer abgesetzt", erklärte Gerichtssprecher Hans-Georg Schwitanski. Offenbar ist es später als Schmiergeld zurück in die Bundesrepublik geflossen.

Dass Trienekens, dem eine Antikorruptionskommission der NRW-Landesregierung attestierte, "ein flächendeckendes Netzwerk der Einflussnahme auf politische Entscheidungsträger" aufgebaut zu haben, sich jetzt nur für diese vergleichsweise geringen Steuervergehen rechtfertigen muss, liegt an seinem schlechten Gesundheitszustand. Zwei kurze Verhandlungstage sind an diesem und am kommenden Freitag eingeplant, jeder Termin soll nicht länger als drei Stunden dauern. "Unter diesem Aspekt halten wir es als Verteidiger noch für verantwortbar, dass Herr Trienekens, der sich ausdrücklich dem Verfahren stellen möchte, an dieser - kurzen - Hauptverhandlung teilnimmt", meinte sein Anwalt Norbert Gatzweiler. Ein Kardiologe wird den herzkranken Angeklagten überwachen, Rettungsteams werden bereit stehen, damit "eine sofortige Notfallversorgung gesichert ist". Länger als zwei Tage dürfe die Verhandlung auch nicht dauern, unterstrich Gatzweiler. Das nämlich sei "nach Auswertung aller vorliegenden fachärztlichen Prognosen mit dem konkreten Risiko des Eintritts eines Herz- oder Hirninfarktes und damit mit akuter Lebensgefahr, jedenfalls aber dem Risiko irreparabler schwerster gesundheitlicher Schädigungen verbunden".

"Eine eigennützige Steuerhinterziehung wird Herrn Trienekens nicht vorgeworfen", betonte Gatzweiler. Das heißt, der damalige "Müllkönig" soll sich nichts in die eigene Tasche gesteckt haben. Dafür spricht, dass die Fahnder nur davon ausgehen, Trienekens habe Körperschafts- und Gewerbesteuer hinterzogen. Die strittigen Steuern wurden bereits nachgezahlt. Gleichwohl soll sich der 66-Jährige wegen seiner Beteiligung an den Schmiergeldabsprachen in einem gesonderten Verfahren verantworten müssen. Von der Untersuchungshaft wurde er nur nach Zahlung einer Kaution von 100 Millionen Euro frei gelassen.

Der zweite Prozess aber wird noch lange auf sich warten lassen. Zum einen spricht gegen eine ausführlichere Hauptverhandlung - genauso wie beim ehemaligen SPD-Mann Karl Wienand - der problematische Gesundheitszustand. Zum anderen will die Kölner Justiz die Haltung des Bundesgerichtshofs zum Müllskandal abwarten. Schließlich sind die ersten Urteile gegen zwei frühere Entsorgungsmanager noch nicht rechtskräftig und harren der Revision vor dem höchsten Gericht.


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