11.10.2004

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*   Sozialdemokratie soll sich wieder lohnen
Von Pascal Beucker

Öffentlich zieren sich die Kölner SPD-Spitzen Jochen Ott und Martin Börschel zur Zeit noch, mit den Christdemokraten in die Koalitionswanne zu steigen. Intern jedoch halten viele Genossen Schwarz-Rot für die beste Variante: zur Pfründesicherung.

Auch wenn sich die Sozialdemokraten heute mit den Grünen zu Sondierungsgesprächen treffen wollen: Die Spitzen der Kölner SPD scheinen sich immer mehr mit der Vorstellung einer exklusiven Koalition ihrer Partei mit der CDU anzufreunden - natürlich nur zum Wohle der Stadt. Und ganz nebenbei auch aus ganz handfesten personalpolitischen Interessen.

Tatsächlich könnte es sich für die Genossen richtig lohnen, wenn die SPD-Führungsyoungster Martin Börschel und Jochen Ott allen Erneuerungsbekundungen zum Trotz das alte und langjährig bewährte Klüngelsystem der beiden großen Kölner Parteien wieder reaktivieren würden. Denn im Laufe der jetzt beginnenden Legislaturperiode stehen etliche lukrative Posten zur Neuverteilung an. Alleine beim Kölner Stadtwerkekonzern mit seinen diversen Tochtergesellschaften laufen demnächst die Verträge diverser wohldotierter Geschäftsführer- und Vorstandsposten aus - bei den Kölner Verkehrsbetrieben zum Beispiel 2008 die der Vorstandsmitglieder Walter Reinarz und Werner Böllinger. Der eine ist - ganz nebenbei - Kölner CDU-Chef, der andere SPD-Unterhändler.

Kein Wunder, dass vor diesem Hintergrund nicht wenige Spitzengenossen eine von den Grünen und Teilen der CDU favorisierte schwarz-rot-grüne Koalition für eine unattraktive Variante halten: Die Grünen könnten bei anstehenden schwarz-roten Verteilungsgeschäften nur stören.

Zudem geht es auch um rote Besitzstandswahrung: Im Wahlkampf hatte die SPD den Christdemokraten zwar lautstark vorgeworfen, sie hätten sich die Stadt bereits zur Beute gemacht. Bislang jedoch kann von einem Großreinemachen keine Rede sein: Immer noch beschäftigt die Stadt 28 Amtsleiter mit rotem Parteibuch - gegenüber 20 mit schwarzem und nur sieben Parteilosen. Bei den stellvertretenden Amtsleitern liegen SPD und CDU mit je 20 Mitgliedern gleichauf, sechzehn Stellvertreter sind parteilos. Die nicht gerade marginale rote Präsenz gilt es natürlich zu verteidigen.

Terrain verloren hat die SPD während ihrer fünfjährigen Oppositionszeit hingegen auf der Dezernentenebene. Hier hält nach dem Ausscheiden von Böllinger als Stadtkämmerer sowie der Bau- und Schuldezernenten Béla Dören und Andreas Henseler nur noch Ursula Christiansen als Beigeordnete für Gesundheit, Umwelt und Feuerschutz die Stellung. Doch diese aus SPD-Perspektive miserable Quote könnte sich demnächst wieder verbessern. In der neuen Wahlperiode laufen die Amtszeiten nicht nur von Christiansen, sondern auch der CDU-Männer Franz-Josef Schulte (Bildung, Jugend und Sport) und Herbert Winkelhog (Stadtdirektor) aus. Und dann gibt es ja auch noch den immer noch vakanten Kulturdezernentenposten ...

Wie Sozial- und Christdemokraten einträglich zusammenarbeiten können, zeigt übrigens schon jetzt ihr harmonisches Zusammenwirken in der GEW RheinEnergie. Nicht nur, dass sich der umtriebige Bundestagsabgeordnete und Ex-CDU-Ratsfraktionschef Rolf Bietmann als Aufsichtsratsvorsitzender mit Aufsichtsratsmitglied und SPD-Ratsfraktionschef Börschel blendend versteht: Die beiden Rechtsanwälte erfreuen sich darüber hinaus auch guter geschäftlicher Beziehungen zu dem städtischen Unternehmen. Das jedenfalls geht aus einem der taz vorliegenden Schreiben des Vorstandsvorsitzenden Helmut Haumann hervor. Darin teilt der Christdemokrat mit, dass "der Aufsichtsrat der GEW RheinEnergie AG der anwaltlichen Mandatierung der Aufsichtsratsmitglieder Prof. Dr. Bietmann und Börschel zugestimmt" habe. Damit niemand etwas Böses dabei denkt, stellt Haumann, der auch Stadtwerke-Geschäftsführer ist, in dem Brief klar: "Im übrigen beachten die Konzerngesellschaften grundsätzlich die Anregung des Ehrenrates und Bitte des Oberbürgermeisters und vergeben Aufträge nicht aufgrund von Mitgliedschaften in Aufsichtsräten." Geschweige denn nach Parteibuch ...


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