07.05.2005

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taz

*   Rüttgers übt den Landesvater
Von Pascal Beucker

Beim NRW-Fernsehduell gibt sich der Herausforderer schon mal ganz staatsmännisch.

"Nicht so nervös." Gleich dreimal versuchte Jürgen Rüttgers die Zwischenrufe seines Kontrahenten mit demonstrativer Gelassenheit zu kontern. Doch Peer Steinbrück ließ sich nicht beruhigen. "Sie sind nicht bei den Fakten, sie sind nicht informiert", beschied er brüsk seinem Gegenüber. Das erste bundesweit und live übertragene Fernsehduell zweier Spitzenkandidaten einer Landtagswahl verlief am Donnerstagabend mit einer ungewohnten Rollenverteilung. Während sich CDU-Herausforderer Rüttgers zweieinhalb Wochen vor der Landtagswahl schon mal staatsmännisch gab, zeigte sich SPD-Amtsinhaber Steinbrück überaus angriffslustig.

"Sie müssen aus der Beliebigkeit herauskommen", attackierte Steinbrück gleich mehrfach. Rüttgers vertrete Positionen, die dem "Anforderungsprofil eines Ministerpräsidenten" nicht gerecht würden. Der so Angegriffene übte sich in landesväterlicher Pose. "Nordrhein-Westfalen ist ein wunderbares Land", verkündete Rüttgers im Stil einer Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten. "Es wird nur schlecht regiert." Die Bürger sollten die CDU aus "Liebe zu Nordrhein-Westfalen" wählen.

Wahrend Steinbrück der CDU vorwarf, Arbeitnehmerrechte abbauen zu wollen, kritisierte sein CDU-Kontrahent, mit der von Franz Müntefering begonnen "Kapitalismuskritik" verschrecke die SPD Investoren. "Ich stehe für soziale Partnerschaft und nicht für Klassenkampf." Steinbrück erwiderte, auch der Papst habe sich ganz ähnlich wie seine Partei geäußert. Außerdem sei dank der Steuersenkungen der vergangenen Jahre die Situation für die Unternehmen in der Bundesrepublik so gut wie noch nie. Eine Antwort auf die Frage der Moderatoren, was für praktische Konsequenzen die SPD aus der von ihr angestoßenen Kapitalismusdiskussion ziehe, blieb er indes schuldig.

Der Grund für das insgesamt aggressivere Auftreten Steinbrücks ist einfach: Die Chancen für seinen Konkurrenten, im zweiten Anlauf endlich in die Düsseldorfer Staatskanzlei einzuziehen, stehen hervorragend. Gemeinsam mit der FDP liegen die Christdemokraten in allen Umfragen rund zehn Prozentpunkte vor Rot-Grün. Was bleibt da dem Noch-Regierungschef anderes übrig, als mit vollem Risiko in die Offensive zu gehen, um im direkten Duell wenigstens noch Boden gut zu machen. Einen Punktsieg konnte er zumindest verbuchen: Nach einer Forsa-Blitzumfrage sahen 48 Prozent der Befragten Steinbrück als Sieger, nur 24 Prozent Rüttgers.


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