20.06.2005

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taz

*   Ein Platz für Oskar
Von Pascal Beucker 

Reden kann er. Das hat Oskar Lafontaine am Wochenende wieder gezeigt. Nach anfänglicher Skepsis haben ihm seine neuen Freunde zugejubelt, als er seine bekannten Ideen präsentierte. WASG und PDS formieren sich - zum Ärger der SPD.

Den Empfang bei seiner neuen Basis dürfte sich Oskar Lafontaine etwas anders vorgestellt haben. Trillerpfeifen lärmen, als er den Saal betritt. Die Stimmung auf dem Landesparteitag der nordrhein-westfälischen "Wahlalternative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit" (WASG) ist gereizt. Die Gegner eines Bündnisses mit der PDS bei der Bundestagswahl übertönen mit ihren Buhs den Applaus der Befürworter. Der frühere SPD-Vorsitzende schaut irritiert.

Lafontaine ist gekommen, um sich als Spitzenkandidat des mit über 1.800 Mitgliedern größten WASG-Landesverbandes aufstellen zu lassen. Nun versucht er, seine Nervosität zu überspielen. Es geht um viel: Scheitert sein Versuch eines Comebacks bereits hier an diesem Samstag im Technologiepark von Köln?

Gut eine halbe Stunde spricht er zu den Delegierten. Geradezu beschwörend wirbt er für die "historische Chance", die nicht verspielt werden dürfe: "Wir sind bereits von der Bevölkerung gewollt, obwohl wir uns noch gar nicht formiert haben." Das gleiche einem Wunder. Das Linksbündnis könne die drittstärkste Kraft im Bundestag werden: "Auf dem Weg dorthin können wir uns nur selber noch ein Bein stellen, die anderen können das nicht mehr." Die Mauer sei vor sechzehn Jahren gefallen, die PDS habe sich seither "deutlich gewandelt", versucht er den Delegierten die Angst vor der SED-Nachfolgepartei zu nehmen. Seine Rede ist rhetorisch brillant - seine Botschaft kommt an. Kein Pfiffe, keine Buhs.

Auch nicht, als er sein heftig kritisiertes Wort von den "Fremdarbeitern" anspricht. Er könne nichts dafür, "dass auch die Nazis Deutsch gesprochen haben", antwortet er den "Betroffenheitslyrikern, die versuchen mir am Zeug zu flicken". Das Wort "Fremdarbeiter" sei jedenfalls im Duden nicht mit einem Verweis auf die Nazivergangenheit indiziert. Außerdem habe er sich "schon früh" dafür eingesetzt, "dass die deutsche Staatsangehörigkeit nicht länger am deutschen Blut festgemacht wird". Größer ist allerdings der Beifall, als er in bewährter Manier gegen den von der rot-grünen Regierung betriebenen Sozialabbau wettert und den bislang im Bundestag vertretenen Parteien vorwirft, sie ließen sich ihre Programme von den Wirtschaftsverbänden schreiben: "Das gab's noch nie!"

Geradezu frenetisch wird der Applaus, als er die Grünen wegen ihrer mehrheitlichen Unterstützung des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs auf Jugoslawien attackiert: "Wer Krieg zustimmt, stimmt für den tausendfachen Tod unschuldiger Menschen."

Am Ende erntet "der Oskar" Standing Ovations. Er hat die Schlacht gewonnen. Alle Anträge, die gegen ein Antreten der WASG auf offenen PDS-Listen und für einen eigenständigen Wahlantritt plädieren, werden mit Zweidrittelmehrheiten abgelehnt. Sein Wahlergebnis bei seiner Kandidatur als WASG-Spitzenkandidat fällt noch besser aus: Lafontaine erhält 124 Stimmen - gegenüber gerade mal 29 Stimmen für seinen Gegenkandidaten Markus Schlegel, den die Linksbündniskritiker vom "Leverkusener Kreis" aufgestellt haben.

Lafontaines einstige SPD-Genossen reagierten unterdessen äußerst gereizt auf den Auftritt ihres früheren Parteivorsitzenden in Köln. "Oskar Lafontaine und sein zusammengewürfelter Haufen aus Altkommunisten und Querulanten stellen nicht einmal im Ansatz eine politische Alternative dar", giftete der Generalsekretär der nordrhein-westfälischen SPD, Michael Groschek. Bayerns SPD-Chef Ludwig Stiegler wetterte auf dem Landesparteitag der SPD in Hof: "Wer spaltet, schadet und ist ein nützlicher Idiot der Rechten." Und SPD-Parteichef Franz Müntefering bezeichnete die WASG als einen "Wurmfortsatz der PDS": "Dass die jemanden an die Spitze wählen als Kandidat, der die Sozialdemokratie verraten hat, das qualifiziert die. Ich sehe das mit Widerwillen, aber das ist die Realität."


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