Der Kölner
Politikprofessor Christoph Butterwegge erklärt seinen Austritt aus
der SPD.
Noch
besitzt Christoph Butterwegge sein rotes SPD-Mitgliedsbuch. Er hat es
vor sich auf den Tisch gelegt. Es liegt etwas Nostalgisches in dem
Blick des Professors, wenn er auf das Büchlein schaut. Der Leiter der
Abteilung Politikwissenschaften an der Kölner Universität ist an
diesem Freitag in das Bürgerzentrum Köln-Deutz gekommen, um das für
ihn Unvermeidliche zu erklären: seinen Austritt aus der SPD. Was sich
jetzt in Berlin gebildet habe, sei eine "große Koalition gegen
den Sozialstaat", sagt der 54-Jährige, "eine solche Politik
kann ich nicht mittragen". Es ist das Ende einer langen,
schwierigen Beziehung.
Butterwegges
Mitgliedsbuch weist den 1. Januar 1987 als Eintrittsdatum aus. Doch
das ist nur die halbe Wahrheit. Zum ersten Mal trat er bereits 1970 in
die SPD ein. Aktiv bei den Dortmunder Jungsozialisten, kam er 1974 als
Vertreter des linken Flügels in den hiesigen Bezirksvorstand. Mit
Gerhard Schröder saß er damals im Juso-Bundesausschuss.
Auch die ersten
Schritte seiner akademischen Karriere sind eng mit der Partei und
ihrer Jugendorganisation verbunden: "Die Jungsozialisten und eine
von der Vorherrschaft reformistischer Illusionen befreite SPD können
eine wichtige Rolle im Kampf um Demokratie und Sozialismus spielen,
vorausgesetzt, dass sie ihre Bindung an das kapitalistische System
abstreifen und aktiv in den Prozess der sich verschärfenden
Klassenauseinandersetzungen eingreifen", schrieb Butterwegge 1974
hoffnungsfroh in seiner Diplomarbeit. Und seine 1980 verfasste
Dissertation trägt den Titel: "SPD und Staat heute".
Zu diesem Zeitpunkt ist
er allerdings gerade parteilos - wider Willen. 1975 wird der Anhänger
der "Stamokaptheorie" wegen Linksabweichlertums
ausgeschlossen. Den Rausschmiss damals vor 30 Jahren hatte Hermann
Heinemann betrieben, der mächtige Chef des SPD-Bezirks Westliches
Westfalen. Der vorgestern im Alter von 77 Jahren verstorbene Heinemann
hatte demselben Ortsverein angehört wie der rebellische Butterwegge.
Wie auch der zwei Jahre
später rausgeworfene "Stamokapler" Klaus Uwe Benneter kann
indes auch Butterwegge nicht von seiner Hassliebe lassen. 1983 stellt
er einen Wiederaufnahmeantrag, 1987 gibt die SPD seinem Begehren
endlich statt. Besonders Gerhard Schröder hatte sich vehement für
ihn eingesetzt.
Jetzt also geht
Butterwegge ein zweites Mal. Diesmal freiwillig. An guten Anlässen,
der Partei den Laufpass zu geben, habe es schon in den vergangenen
Jahren nicht gemangelt, räumt er ein. Doch er habe halt die Hoffnung
auf eine Wende zum Besseren, zum Linkeren, nicht aufgeben wollen:
"Linke Sozialdemokraten haben immer auch Illusionen." So
habe er nach der Bundestagswahl auf eine "sozialdemokratische
Selbstkritik nach der Ära Schröder" gehofft, auf eine Rückbesinnung
auf die alten sozialdemokratischen Werte - vergeblich, wie der
SPD-Parteitag diese Woche gezeigt habe. "Nicht wir bewegen uns
weg, die SPD hat sich wegbewegt", sagt Butterwegge geradezu
trotzig.
Zusammen mit ihm erklärten
gestern noch weitere 29 Genossen ihren Austritt - unter ihnen viele
aus der Parteijugend, wie der Kölner Juso-Vorsitzende Klemens Himpele.
Sie wollen sich nun der Wahlalternative Arbeit & Soziale
Gerechtigkeit (WASG) anschließen und "dafür einsetzen, dass in
Deutschland eine schlagkräftige gemeinsame Linkspartei
entsteht", wie es in einer gemeinsamen Erklärung heißt. Auch
Butterwegge meint, dass WASG und Linkspartei diejenigen seien,
"auf die jetzt die Hoffnungen der linken Sozialdemokraten
ruhen". Aber er will erstmal seine neu gewonnene Freiheit genießen
- und vorerst parteilos bleiben.
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