06.12.2005

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*  Streitbarer Multifunktionär
Von Pascal Beucker 

Porträt: Nadeem Elyas

Nadeem ElyasEs ist nicht das erste Mal, das Nadeem Elyas Schlagzeilen macht. Doch war es diesmal ein besonderes Zeichen, das der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime (ZMD) in der taz setzte: Für ihn käme "alles in Frage", was das Leben der im Irak entführten Susanne Osthoff retten kann, sagte Elyas, sogar ein Geiselaustausch sei für ihn denkbar. Ein mutiges Angebot des bekanntesten Repräsentanten der Muslime in Deutschland.

Elyas, der Saudi-Arabien als 19-Jähriger verließ, begann 1964 in Frankfurt ein Medizinstudium. Parallel studierte er Islamwissenschaften und engagierte sich in muslimischen Vereinen. Nach dem Studium ließ er sich als Gynäkologe in Eschweiler nieder, wo der vierfache Vater bis heute wohnt.

Seit 1995 steht der 60-Jährige dem von ihm mitgegründeten ZMD vor. Dem eingetragenen Verein gehören 19 Dachorganisationen mit mehreren hundert Moscheegemeinden an. Wie viele Muslime der ZMD repräsentiert, ist allerdings unklar. In seiner Selbstdarstellung gibt der Verband nur etwas wolkig an, seine Mitgliedsorganisationen würden "eine breite Masse der Muslime in Deutschland vertreten". Doch das dürfte übertrieben sein. Tatsächlich können ihm wohl nur etwa 12.000 bis 20.000 der rund 3,5 Millionen hier lebenden Muslime zugerechnet werden. Trotzdem rangiert der ZMD in der öffentlichen Wahrnehmung deutlich vor den beiden größeren Dachverbänden, dem Islamrat und der Türkisch-Islamischen Union (Ditib).

Das liegt vor allem am eloquenten ZMD-Vorsitzenden, der es durch seinen unablässigen Einsatz versteht, seinen Verband "gesellschaftsfähig" zu machen. So führte der ZMD unter Elyas' Federführung etwa den "Tag der offenen Moschee" ein. Auf seine Initiative geht auch die "Islamische Charta" zurück, in der der ZMD seine Ideen vom Zusammenleben mit der nicht-islamischen Mehrheitsgesellschaft formulierte. Entscheidend für die Akzeptanz waren auch die steten Bekenntnisse von Elyas zum Grundgesetz. Für seine Bemühungen um den interreligiösen Dialog erhielt er 1999 mit Ignatz Bubis den alternativen Aachener Friedenspreis.

Trotz aller Dialogbereitschaft ist Elyas nicht unumstritten. So sah er sich immer mit - von ihm heftig bestrittenen - Vorwürfen einer engen Verbindung zur islamistischen Muslimbruderschaft konfrontiert. Zudem vertritt Elyas einen konservativ-orthodoxen Islam, der liberalen Auslegungen gegenüber nur wenig aufgeschlossen ist. Hier ist der Mann mit der sanften freundlichen Stimme immer noch deutlich von seiner Geburtsstadt Mekka geprägt, wo er nahe den Wurzeln des traditionellen Islam buchstäblich im Schatten der Kaaba aufwuchs.


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