20.10.2005

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*   Verhandlungsfähigkeit ist Auslegungssache
Von Pascal Beucker
Der Bestochene ist verurteilt, der Prozess gegen den Bestecher steht aus. Woher die Langmut des Bonner Landgerichts in Sachen Trienekens? Dass sich Richter von Attesten des Ex-Müllkönigs nicht beirren lassen, zeigen Kölner Urteile.

Die Anklage der Bonner Staatsanwaltschaft gegen Hellmut Trienekens ist seit Monaten raus. Doch wann endlich vor der Wirtschaftsstrafkammer des Bonner Landgerichts gegen den Viersener Müllunternehmer verhandelt wird, steht immer noch in den Sternen. Er persönlich rechne mit einer Prozesseröffnung "nicht vor dem nächsten Jahr", sagte Oberstaatsanwalt Fred Apostel der taz. Angeklagt ist Trienekens wegen der Bestechung eines Amtsträgers in einem besonders schweren Fall.

Hierbei geht es um einen Vorgang, den das Bonner Landgericht eigentlich schon für erwiesen hält: Wegen der "Provisionszahlungen" in Millionenhöhe durch den einstigen Müllkönig Trienekens verurteilte es im Dezember 2004 den früheren Geschäftsführer der Rhein-Sieg-Abfallwirtschaftsgesellschaft, Karl-Heinz Meys, wegen Bestechlichkeit zu sechs Jahren Haft. Doch der Prozess gegen den mutmaßlichen Bestecher steht weiter aus. Das Gericht sei überlastet, heißt es aus Justizkreisen zur Begründung, warum es immer noch keine Terminierung der Verhandlung gibt.

Soll mit dem jetzt bekannt gewordenen Ermittlungsverfahren gegen Hans-Rudolf Milstrey, dem Hausarzt von Trienekens und Chefarzt des St. Irmgardis-Krankenhaus in Viersen-Süchteln, wegen des Verdachts der "Ausstellung eines unrichtigen ärztlichen Gesundheitszeugnisses" (taz berichtete) nur von den Unpässlichkeiten der Bonner Richter abgelenkt werden? Tatsache ist, dass das Landgericht in Köln den als schwer herzkrank geltenden Trienekens bereits zwei Mal zur Verantwortung gezogen hat, obwohl Milstrey ihm Verhandlungsunfähigkeit bescheinigt hatte. Im Zusammenhang mit dem Kölner Müllskandal wurde Trienekens im September 2004 wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt - inklusive einer von ihm zu zahlenden Bewährungsauflage in Höhe von 10 Millionen Euro. Im Juli 2005 stellte die 7. Große Strafkammer ein Strafverfahren gegen ihn wegen Beihilfe zur Untreue gegen Zahlung von fünf Millionen Euro ein.

Neben der Bonner Anklage sieht sich Trienekens zur Zeit auch noch mit einer Zivilklage des Rhein-Sieg-Kreises konfrontiert. Der will vor dem Landgericht Bonn im Zusammenhang mit dem Meys-Skandal mehr als zwölf Millionen Euro Schadenersatz erstreiten. Noch immer dauern die Ermittlungen der Wuppertaler Staatsanwaltschaft gegen Trienekens an, dem die nordrhein-westfälische Anti-Korruptionskommission "Task Force Müll" im Juli 2003 bescheinigt hatte, "ein flächendeckendes Netzwerk der Einflussnahme auf politische Entscheidungsträger" aufgebaut zu haben. In diesem Fall geht es um den Verdacht mutmaßlicher Schmiergeldzahlungen rund um die Müll- und Klärschlamm-Verbrennungsanlage (MKVA) in Krefeld.


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