01.12.2005

Startseite
taz

*   Strippenzieher vor Gericht
Von Pascal Beucker

Kölner Ex-SPD-Ratschef Norbert Rüther bangt um Freispruch.

Der heutige wird ein spannender Tag für Norbert Rüther. Denn der frühere SPD-Politiker muss um seinen Freispruch im ersten Kölner Müllskandalprozess bangen. Der ist einer der strittigen Fragen, über die der Bundesgerichtshof in Leipzig an diesem Donnerstag beraten wird.

Der heute 55-jährige Rüther war über ein Jahrzehnt lang einer der starken Männer der Kölner Sozialdemokraten gewesen: nicht gerade ein Sympathieträger, aber dafür ein ausgebuffter Strippenzieher. Von 1991 bis 2000 Geschäftsführer der Kölner SPD-Ratsfraktion, übernahm er 1998 auch noch deren Vorsitz. Auf die Kölner Stadtpolitik konzentriert, war der Sitz im Präsidium der NRW-SPD für ihn dabei nur ebenso nützliches Beiwerk, wie seine Wahl in den Düsseldorfer Landtag im Jahr 2000 vorrangig seiner ökonomischen Absicherung diente, um sich mit voller Kraft der Tätigkeit als Ratsfraktionschef widmen zu können.

Doch dann kam jener 4. März 2002, an dem sich der außerhalb Kölns weithin unbekannte Rüther in die bundesweiten Schlagzeilen katapultierte. An diesem Tag ließ das kölsche Politschwergewicht über seine Anwälte mitteilen, dass er von allen Ämtern zurück- und aus der SPD austreten werde. Zeitgleich offenbarte Rüther gegenüber der Staatsanwaltschaft, wie sich die Kölner SPD zumindest über die 1990er Jahre hinweg mit einer ganz besonderen Methode der Geldeinnahme klandestin ihre Parteikassen aufgebessert hatte: mit dem System der „Dankeschön-Spenden“. Vorher beschließen, nachher kassieren, so lautete die „goldene Regel“: Nachdem Unternehmen lukrative städtische Großaufträge zugeschanzt worden waren, sollten sie sich freundlichst zu einem angemessenen Obolus bereit finden. So funktionierte es auch im Zusammenhang mit dem Bau der Kölner Müllverbrennungsanlage.

Die Gelder an die SPD waren allerdings nur „Peanuts“ gegenüber den Summen, die ansonsten an Schmiergeldern beim MVA-Bau geflossen waren. Insgesamt 11 Millionen Euro sollen seinerzeit verteilt worden sein. Ob auch Rüther persönlich etwas von diesem Kuchen erhielt, wie der Ex-Chef der Kölner Abfallverwertungsgesellschaft, Ulrich Eisermann, vor Gericht behauptet hat, ist bis heute strittig. Das Landgericht Köln jedenfalls sprach Rüther im Mai 2004 aus Mangel an Beweisen frei. Die Staatsanwaltschaft ging in Revision, über die nun der BGH befinden muss.

Aber wie die Bundesrichter auch entscheiden werden: Es wird nicht Rüthers letzte Gang nach Leipzig sein. Denn im September diesen Jahres wurde er in einem weiteren Prozess wegen zwei Spenden des Müllmoguls Hellmut Trienekens, die das Kölner Landgericht im Zusammenhang mit der Teilprivatisierung der städtischen Abfallwirtschaftsbetriebe sah, zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. In diesem Fall hat Rüther, der mittlerweile wieder als Psychiater arbeitet, die Revision beantragt.


© Pascal Beucker. Alle Rechte an Inhalt, Gestaltung, Fotos liegen bei dem Autor. Direkte und indirekte Kopien, sowie die Verwendung von Text und Bild nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung des Autors.