24.12.2005

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taz

*   Die "Zeit" kommt nach NRW
Von Pascal Beucker
Die türkische Tageszeitung Zaman will ihre Berichterstattung an Rhein und Ruhr ausweiten. Eigene Wochen- oder Monatsausgabe des gemäßigt-islamischen Blattes in der Planung.

Die angesehene türkische Tageszeitung Zaman (auf deutsch: Zeit) will ihre Berichterstattung aus Nordrhein-Westfalen zu intensivieren. In der Planung ist eine eigene NRW-Ausgabe, die entweder monatlich oder wöchentlich erscheinen soll. In der Diskussion ist auch die Einrichtung einer NRW-Redaktion. Der mögliche Redaktionssitz ist Essen. Die endgültige Entscheidung darüber sei allerdings noch nicht gefallen, so ein Zaman-Sprecher. Auch der Zeitpunkt, wann das neue Projekt an den Start gehen soll, stünde noch nicht fest.

Mit seinen Planungen folgt die gemäßigt-islamische Zeitung den beiden Konkurrenzblättern Hürriyet und Tercüman, die bereits jetzt einmal die Woche mit einer Nordrhein-Westfalen-Beilage erscheinen. Wie das Essener Zentrum für Türkeistudien (ZfT) mitteilte, gehe die angedachte Redaktionsgründung auf das Engagement der Regionalen Transferstelle für ausländische Selbständige am ZfT zurück. Die habe eng mit der Zaman-Geschäftsführung bei der Standortsuche zusammengearbeitet und sie schließlich von einem Standort in der Ruhrregion überzeugt. "Mit seinem großen Anteil an Zuwanderern liegt die Zukunft des Ruhrgebiets in einer interkulturellen Wirtschaft. Hierzu ist die Zaman-Ansiedlung ein Beitrag", sagte ZfT-Direktor Faruk Sen.

Die zunächst in türkischer Sprache, jedoch perspektivisch auf Deutsch erscheinen sollende NRW-Ausgabe von Zaman wäre ein weiterer Schritt bei Etablierung türkischer Zeitungen auf dem bundesdeutschen Markt. Seit Ende der 60er Jahre versuchen türkische Tageszeitungen mit eigenen Angeboten in der Bundesrepublik Fuß zu fassen. Den ersten - noch fehlgeschlagenen - Versuch unternahm Aksam, die in München gedruckt wurde. Es folgten Anfang der 70er Jahre Tercüman, Hürriyet und Milliyet. Mittlerweile erscheinen insgesamt sechs überregionale türkische Tageszeitungen mit speziellen Deutschland- beziehungsweise in der Bundesrepublik produzierten Europa-Ausgaben: Hürriyet, Milliyet, Milli Gazete, Türkiye, Evrensel und eben Zaman.

Zaman, seit 1991 auf dem deutschen Markt, hat seinen deutschen Hauptsitz im hessischen Offenbach und einen weiteren Redaktionsstandort in Berlin. Darüber hinaus bestehen noch Korrespondentenbüros in neun weiteren Städten. Davon sind gleich vier in Nordrhein-Westfalen angesiedelt: in Dortmund, Duisburg, Düsseldorf und Köln.

Während es Hürriyet als Marktführer auf eine verkaufte Auflage von derzeit knapp unter 40.000 Exemplaren bringt, liegt Zaman bei rund 21.000 Exemplaren. Gesicherte Angaben über die Auflagenzahl der anderen Blätter gibt es nicht: Nur Hürriyet und Zaman lassen ihre Zahlen von der IVW prüfen.

In der Türkei hat Zaman, die der Bewegung des in den USA lebenden islamischen Predigers Fethullah Gülen nahe steht, eine beeindruckende Entwicklung zurückgelegt. Erschien die erste Ausgabe im November 1986 noch mit einer Auflage von nur 15.000 Exemplaren, überschritt die Zeitung bereits Anfang der 90er Jahre die 100.000er-Marke. Wie es heißt, soll die Auflage inzwischen bei rund einer halben Million Exemplaren liegen. Damit gehört Zaman zu den meistgelesenen Blättern.

Während die Grundlinie der überparteilichen Zeitung an der Vermittlung und Verteidigung konservativer und religiöser Werte ausgerichtet ist, so legt Zaman doch gleichwohl trotzdem Wert auf eine ausgewogene und seriöse Berichterstattung. Zudem setzt sie in ihrer Blattlinie auf interreligiösen Dialog und Toleranz. Schrille Töne, wie sie gelegentlich beispielsweise die konservativ-nationalistische Hürriyet anschlägt, sind ihre Sache nicht. Auch zeichnet sich Zaman durch ein breites politisches Meinungsspektrum aus. So schrieben in Zaman "sämtliche Intellektuelle der Türkei", wie der Essener Kommunikationsprofessor Jörg Becker anerkennend feststellt.

Für ihre demokratische Grundhaltung und ihren Einsatz für Menschenrechte wurde Zaman 2003 mit dem Medienpreis der Türkischen Stiftung für Demokratie (TDV) ausgezeichnet.


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