09.01.2006

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taz

*   Muslim-Test hat immer weniger Freunde
Von Pascal Beucker 

Baden-Württembergs Ministerpräsident Oettinger rudert sanft zurück. Verfassungsrechtler haben Bedenken.

Im Streit um den umstrittenen Gesinnungstest für einbürgerungswillige Muslime hat sich der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) hinter seinen Innenminister Heribert Rech (CDU) gestellt. "Ein eingehende Überprüfung des Bekenntnisses zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bei allen Einbürgerungsverfahren halte ich für selbstverständlich notwendig", sagte Oettinger gestern. Damit reagierte der Regierungschef erstmalig auf die immer lauter werdende Kritik an einem per Ministeriumserlass eingeführten "Gesprächsleitfaden", mit dem seit Jahresbeginn im Ländle speziell Muslime auf ihre Einbürgerungstauglichkeit überprüft werden sollen.

Einwände gegen den dreißig Fragen umfassenden Muslim-Test kommen inzwischen auch aus den eigenen Reihen. So bezeichnete beispielsweise der christdemokratische Integrationsminister Nordrhein-Westfalens, Armin Laschet, den Leitfaden in der Westdeutschen Allgemeinen als "untauglich" und "falsch". Insbesondere kritisierte er die "inquisitorischer Fragen" zur Homosexualität und wies darauf hin, dass angesichts der bekannten Haltung von Joseph Ratzinger zu dieser Thematik dies beispielsweise bedeuten würde, "dass der Papst in Baden-Württemberg nicht eingebürgert würde".

Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) zeigte sich ebenfalls verwundert über die Aufnahme von Fragen zur Homosexualität. Denn bisher sei die Regierung in Stuttgart nicht gerade durch ihren Einsatz für Toleranz gegenüber Lesben und Schwulen aufgefallen.

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Nadeem Elyas, hat unterdessen eine Klage gegen den Einbürgerungsfragebogen angekündigt. Es müsse geklärt werden, ob er verfassungskonform und integrationsfördernd sei. "Wir meinen, beides ist nicht gegeben mit diesem Fragenkatalog, und wir werden klagen", sagte Elyas. Verfassungsrechtler prognostizieren einer solchen Klage gute Chancen. Der Erlass "diskriminiert die Muslime" und "dürfte der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinie widersprechen", sagte der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht, Ernst Gottfried Mahrenholz, dem Spiegel.

Im Focus konstatierte der Erlanger Juraprofessor Matthias Jestaedt: "Mehr als die Hälfte der Fragen verstößt gegen die vom Grundgesetz garantierten Rechte der Einbürgerungswilligen." Die Fragesteller "verwechseln unseren Staat mit einer Meinungs- und Glaubensgemeinschaft", kritisierte Jestaedt.


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