20.01.2006

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*   KOMMENTAR: Eine kleine Kulturrevolution
Von Pascal Beucker 

Eine Grüne könnte zur DGB-Modernisierung beitragen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund steht vor einer kleinen Kulturrevolution. Die Chancen stehen gut, dass die frühere grüne Bundestagsabgeordnete Annelie Buntenbach in den geschäftsführenden DGB-Bundesvorstand gewählt wird und dort die Nachfolge von Ursula Engelen-Kefer antritt. Der Gegensatz könnte kaum größer sein: Engelen-Kefer, zugleich in den Führungsgremien von DGB, SPD und Bundesagentur für Arbeit präsent, steht für biederste Traditionssozialdemokratie. Buntenbach hingegen ist eine undogmatische Linke, die sich - wie sie im Bundestag gegen jede deutsche Kriegsbeteiligung stimmte - nicht so schnell kleinkriegen lässt. Deswegen ist die Gefahr, dass politische Heckenschützen die Kandidatur noch vereiteln, nicht gerade gering.

Aber dass sie überhaupt aussichtsreich für eine solche Position gehandelt wird, galt vor nicht allzu langer Zeit noch als undenkbar. Denn so etwas wäre für die SPD-Apparatschiks, die leider die Einzelgewerkschaften des DGB immer noch dominieren, früher einfach nicht in Frage gekommen. Eine Alibi-Christdemokratin, gut - aber eine linke Grüne? Trotz Ver.di-Chef Frank Bsirske, ebenfalls ein Grüner. Doch inzwischen lockert sich die enge Fessel, mit der sich die Gewerkschaften zum Schaden ihrer Glaubwürdigkeit an die SPD gekettet haben. Gerade in Zeiten einer großen Koalition ist das nur zu begrüßen. Zudem würde tatsächlich auch mehr Kenntnis über heute weit verbreitete Arbeitsbiografien in die DGB-Chefetage Einzug halten - Buntenbach stammt nicht aus einem klassischen Ausbeutungsverhältnis, sondern aus einem von ihr mitgegründeten selbst verwalteten Betrieb, in dem die gelernte Lehrerin als Setzerin arbeitete, bevor sie nach ihrer Mandatszeit bei der Baugewerkschaft für Sozialpolitik zuständig wurde.

Auch am distanzierten Verhältnis des DGB zu außerparlamentarischen Initiativen könnte Buntenbach, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von Attac, eine Menge ändern. Und den Grünen kann ihre Wahl nur gut tun. Denn damit wären links-grüne Positionen in der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik, die in den letzten Jahren in der Partei kaum noch ein Forum hatten, endlich wieder öffentlich wahrnehmbar.


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