26.06.2006

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taz

*   Schöner integrieren mit Erdogan
Von Pascal Beucker
Zur Vorbereitung des Integrationsgipfels hat die Bundesregierung auch die Union Europäisch Türkischer Demokraten eingeladen. Die Organisation gilt als verlängerter Arm des türkischen moderat-islamistischen Regierungschefs Erdogan.

Ihre Positionen sind marktgerecht formuliert und wirken auf den ersten Blick nicht unsympathisch. Ziel der Union of European Turkish Democrats (UETD) sei es, "im Rahmen der demokratischen Grundrechte und des Wertesystems einen positiven gesellschaftlichen Beitrag zur Europäischen Union zu leisten". Man will den Status der Türken und der türkischstämmigen Europäer fördern und "die europäisch türkische Gesellschaft in ihren soziokulturellen Werten sowie in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung unterstützen". So heißt es in ihrer Selbstdarstellung. Doch wer da was genau fördert, ist einen näheren Blick wert.

Von sich selbst behauptet die UETD, sie vertrete "die Interessen von rund 7 Millionen EU-Bürgerinnen und Bürgern türkischen Ursprungs". Ein selbstbewusster Anspruch für eine Vereinigung, zu deren Gründung im August 2004 sich gerade mal rund 50 Menschen versammelten und deren Mitgliedschaft auch heute noch eher überschaubar ist. Außerdem sei sie "eine demokratische Organisation, die den gesellschaftlichen Konsens und die Toleranz in den Vordergrund stellt". In den Reden führender Repräsentanten ist denn auch stets viel von Integration und Dialog die Rede. Solche diplomatischen Floskeln dürften mit dazu geführt haben, dass Staatsministerin Maria Böhmer die UETD in der vergangenen Woche an ihren Vorbereitungsgesprächen für den bevorstehenden Integrationsgipfel der Bundesregierung beteiligt hat.

"Die älteren Organisationen sind sehr Türkei-orientiert", erklärt der Generalsekretär der UETD, Abdullah Emili, den Unterschied zu den alt eingesessenen türkischen Organisationen. "Wir wollen jedoch die Probleme in Angriff nehmen, die es gilt vor Ort zu lösen", so der Kölner Rechtsanwalt. Merkwürdig allerdings, dass die UETD offenbar ausgerechnet die "Armenien-Frage" für ein solches Problem hält: Der Tenor ihrer zahlreichen Erklärungen ist immer der gleiche: Einen Völkermord hat es nie gegeben. Für "Sachlichkeit" plädierte die UETD auch im Karikaturenstreit - und stellte Strafanzeige gegen die Welt wegen des Abdrucks der umstrittenen dänischen Mohammed-Zeichnungen: Es könne "nicht Sinn einer freien Presse sein, durch Provokationen dieser Art fast 3 Millionen Muslime in Deutschland in ihrem religiösen Empfinden zu beleidigen", erklärte Emili.

Kopf der Organisation ist der in Köln geborene Mittdreißiger Fevzi Cebe. Der hochintelligente Arzt und Finanzmanager hat parallel zur medizinischen Doktorarbeit in Köln ein Wirtschaftsstudium in Harvard beendet. Bei allen Integrationsbekundungen lässt sich die Rolle Cebes am ehesten wohl mit der eines informellen Statthalters des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan beschreiben, auf dessen Initiative die Gründung der UETD basieren soll.

2002 waren sich Cebe und Erdogan das erste Mal begegnet - und hatten umgehend Gefallen aneinander gefunden. Erdogan galt bereits als der kommende Mann in der türkischen Politik. Die Frage allerdings, ob seine damals begonnene Liaison mit dem späteren türkischen Regierungschef auf gemeinsamen politischen Überzeugungen basiert oder vielleicht nur rein taktisch-strategischen Erwägungen des ehrgeizigen Cebe geschuldet ist, lässt sich bislang nicht beantworten. Dem "Obertürken von Porz" (Welt am Sonntag) wird von einem Teil weniger wohlgesonnener Beobachter unterstellt, ein gnadenloser Opportunist zu sein, andere vertreten hingegen die Auffassung, er sei ein konservativ-islamischer Wolf im Schafspelz.

Jedenfalls preist er Erdogan stets in höchsten Tönen. Und der revanchiert sich: "Jeder Türke in Europa sollte so sein wie er", schwärmte der auf moderat getrimmte Islamist von Cebe bei der Einweihung der UETD-Zentrale im November 2005 in Köln.

In türkischen Medien wird die UETD als verlängerter Arm von Erdogans Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) bezeichnet. Cebe dagegen erklärt, seine Vereinigung sei "weder organisatorisch noch ideologisch" mit der AKP verbunden. Erdogan würde die UETD nur "als Premier" unterstützen, "weil wir es uns auf die Fahne geschrieben haben, eine türkische Interessenvertretung in Europa zu sein". Auch ein griechischer Premierminister würde schließlich eine vergleichbare griechische Interessenvertretung in Europa unterstützen. "Das finde ich nur natürlich."


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