09.08.2006

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taz

*   Ab heute: barhäuptig in den Schuldienst
Von Pascal Beucker
Muslimische Lehrerin in Düsseldorf kommt ohne Kopftuch zum Dienst. Kollegium wollte gegen Verbot rebellieren.

Der große Aufstand fällt aus. Wenn nach den Sommerferien heute der Schulalltag in das Düsseldorfer Georg-Büchner-Gymnasium zurückkehrt, wird nicht das komplette Lehrpersonal mit Kopftuch zum Unterricht erscheinen. Noch nicht einmal mehr jene eine Lehrerin, mit der sich der Rest des Kollegiums spektakulär solidarisieren wollte. Die Beamtin auf Zeit werde kopftuchlos erscheinen, versichert Schulleiter Gunter Stauf. Das Bedauern in seiner Stimme ist unüberhörbar.

Mit diesem Schuljahr gilt ein neues Schulgesetz in Nordrhein-Westfalen. Danach ist Lehrerinnen und Lehrern "ein äußeres Verhalten" untersagt, "welches bei Schülerinnen und Schülern oder den Eltern den Eindruck hervorrufen kann, dass eine Lehrerin oder ein Lehrer gegen die Menschenwürde, die Gleichberechtigung nach Artikel 3 des Grundgesetzes, die Freiheitsgrundrechte oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung auftritt". Das bedeutet: Muslimische Lehrerinnen dürfen kein Kopftuch mehr in der Schule tragen. Das christliche Kreuz, die Nonnentracht oder die jüdische Kippa bleiben hingegen erlaubt. Denn sie stünden in Einklang mit den verfassungsrechtlich verankerten christlich-abendländischen Bildungs- und Kulturwerten, wie es in der Begründung des Ende Mai von der schwarz-gelben Mehrheit im Düsseldorfer Landtag verabschiedeten Gesetzes heißt.

Am vergangenen Freitag erhielt Schulleiter Stauf die Anweisung der Düsseldorfer Bezirksregierung, der zuständigen Aufsichtsbehörde, auch am Georg-Büchner-Gymnasium für die Umsetzung der korrekten Kleiderordnung zu sorgen. Für den 63-Jährigen eine Zumutung. Er hält das neue Gesetz für grundfalsch und auch rechtlich höchst fragwürdig. Entweder müssten alle religiösen Symbole aus der Schule verbannt werden - oder keines. Für seine Auffassung war er auch bereit, auf die Barrikaden zu gehen.

Denn an seiner Schule unterrichtet eine der rund zwanzig konkret von dem Verbot betroffenen muslimischen Pädagoginnen - davon zehn Lehramtsanwärterinnen, für die allerdings ohnehin Ausnahmeregelungen gelten, da sie "Ausbildungsfreiheit" genießen. Er werde von der Deutsch- und Englischlehrerin nicht fordern, ihre Kopfbedeckung abzulegen, verkündete Stauf vor den Sommerferien kämpferisch wie medienwirksam. Ihn interessiere "nur, was unter dem Kopftuch ist". Zur Not würde das gesamte Kollegium des Aufbaugymnasiums mit Kopftuch in der Schule erscheinen, um das Gesetz ad absurdum zu führen, kündigte er an.

Doch der Sturm im Wasserglas ist abgeblasen. Unmittelbar vor Schuljahrsbeginn hat die junge muslimische Frau Stauf jetzt mitgeteilt, künftig mit unbekleidetem Kopf zur Arbeit zu kommen. Dazu habe sie sich entschlossen, um ihre Suspendierung zu vermeiden. "Sie ist gerne bei uns Lehrerin und wollte das auch bleiben", berichtet Stauf. Auch wenn er dies versteht, ein bisschen enttäuscht ist er doch: "Ich hätte mich gerne weiter gestritten." Nun hofft er, dass eine der anderen betroffenen Lehrerinnen den Fackelstab übernimmt. Stauf: "Hoffentlich findet sich noch jemand, der sich weiter widersetzt und gegen dieses unsinnige Gesetz klagt."

Das Schulministerium von NRW gibt sich unterdessen gelassen. Es habe bislang keinerlei Kenntnis davon, dass irgendwo an einer Schule des Landes das Kopftuchverbot missachtet werden würde, so ein Ministeriumssprecher.


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