Ein kleines Wunder, dieser
"größte selbstverwaltete Medienbetrieb in
Deutschland": Die Kölner "Stadtrevue" feiert ihren 30.
Geburtstag.
Um 23 Uhr kommt Walter Hoischen durch die Tür.
Der Mann mit dem Zopf geht von Tisch zu Tisch. Die Zeitschriften
hält der mittlerweile 56-Jährige
aufgefächert auf seinem Arm. "Die neue Ausgabe ist da", wirbt
er. So wie jeden Monat. Jahr für Jahr. Eine Ewigkeit lang.
Inzwischen ist Hoischen irgendwie so etwas wie eine Legende in
Köln. So wie jenes kuriose Produkt, für dessen Kauf
der rastlose Zeitschriftenverkäufer nun seit über
zwei Jahrzehnten unermüdlich tagsüber auf der
Schildergasse und in der Nacht in den Kneipen agitiert: die StadtRevue.
Dass und wie es die immer noch gibt, ist ein Phänomen. Denn
nicht viel ist übrig geblieben von jenen unzähligen
alternativen Stadtmagazinen, die in den 70-er Jahren quer durch die
Republik aus den neuen sozialen Bewegungen und der undogmatischen
Linken heraus entstanden waren: Die einen mutierten zu bieder-braven
Veranstaltungskalendern, die anderen segneten das Zeitliche. Die
StadtRevue hingegen zeigt sich nach wie vor unverwüstlich. Mit
einer Party im Kölner Stadtgarten begeht das Monatsmagazin
heute seinen 30. Geburtstag.
Im Oktober 1976 erschien erstmalig das "Herzblatt für die
rastlose Intelligenz", wie die Gründer Rudi Rau und Rolf Henke
ihr Magazin selbstironisch in der Nullnummer bezeichneten. 1980 stiegen
sie nach dem ersten großen Krach aus und verkauften
für symbolische zwei Mark den Verlag an einen neu entstandenen
Mitarbeiterverein. Seitdem ist die StadtRevue im kollektiven Besitz der
Belegschaft. Zurzeit arbeiten 24 fest angestellte Mitarbeiter in dem
dreistöckigen Redaktionshaus in einem Hinterhof im Belgischen
Viertel. Die StadtRevue sei, heißt es stolz in einer
Selbstdarstellung, "damit der größte
selbstverwaltete Medienbetrieb in Deutschland". Eine weitere
Besonderheit hat sich aus den Anfangsjahren erhalten: Alle
Beschäftigten erhalten einen Einheitslohn. Der bewegt sich
etwa auf taz-Niveau, also "leicht untertariflich", wie Thomas Goebel
sagt.
Der 33-Jährige ist einer von fünf festen Redakteuren.
Die wilden Zeiten, die das Magazin auch außerhalb
Kölns bekannt und legendär machten, kennt er nur noch
aus Erzählungen. So wie jene Polizeiaktion im Oktober 1977,
als der Nachdruck des "Buback-Nachrufs" des "Göttinger
Mescaleros" zur Beschlagnahmung der entsprechenden Ausgabe
führte - jedenfalls der noch vorhandenen Restauflage von 30
Exemplaren. Oder die famose Abrechnung mit dem berüchtigten
Strafrichter Victor Henry de Somoskeoys im November 1978, die dem Autor
Henryk M. Broder eine Beleidigungsklage einbrachte. Und dann war da ja
auch noch dieses als Leserbrief abgedruckte Bekennerschreiben der
"Revolutionären Zellen", das der StadtRevue im Oktober 1988
eine Hausdurchsuchung wegen des "Anfangsverdachts des Werbens
für eine terroristische Vereinigung" bescherte. Das Blatt hat
viele Staatsanwälte kommen und gehen sehen. Es war eine Zeit
der fantastischen Gratiswerbung, die die verkaufte Auflage auf deutlich
über 30.000 Exemplare anschwellen ließ.
Heutzutage würde "mehr die Auseinandersetzung mit der
politischen Kultur in der Stadt, weniger der große Skandal"
die StadtRevue ausmachen, sagt Goebel. Gleichwohl sehe man sich immer
noch als ein politisches Magazin. "Aber wir verstehen uns nicht mehr
als ein Sprachrohr eines Milieus, die Fronten sind ja auch nicht mehr
so klar." Ob das einer der Gründe dafür ist, dass das
Blatt von seinen einstigen Spitzenwerten inzwischen weit entfernt ist?
Bei einer Druckauflage von 31.400 liegt der Verkauf heute nur noch bei
rund 20.500 Heften.
Trotzdem herrscht in der Redaktion keine Krisenstimmung - das Blatt ist
ökonomisch stabil. Bereits vor zehn Jahren bezeichnete die
Zeit die StadtRevue als ein "Fossil in der bundesdeutschen
Medienlandschaft". Das ist sie geblieben - und wird es hoffentlich
noch lange bleiben.
|