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13.11.2006

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*   Spitzel sollen spitzeln
Von Michael Bartsch, Pascal Beucker und Max Hägler
Keine Unterstützung erfährt der Berliner Innensenator mit seinem Vorschlag, ein neues Verbotsverfahren gegen die NPD einzuleiten.

Nach dem NPD-Bundesparteitag vom Wochenende ist der Vorschlag des Berliner Innensenators Ehrhart Körting (SPD), durch den Abzug sämtlicher V-Leute ein neues Verbotsverfahren gegen die Partei zu ermöglichen, auf ein überwiegend negatives Echo gestoßen. Eine taz-Umfrage in mehreren Bundesländern ergab, dass Körtings Kollegen zu einem solchen Schritt nicht bereit sind - teils aus taktischen Gründen, teils weil sie einen neuerlichen Verbotsantrag von vornherein ablehnen.

So verwies der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) darauf, dass bei einem Verzicht auf den Einsatz von V-Leuten möglicherweise entscheidende Informationen für die Argumentation vor dem Bundesverfassungsgerichts fehlen könnten. "Ein Verbotsverfahren dauert ja ein bis zwei Jahre", sagte ein Sprecher. "Was soll man dann sagen, wenn das Gericht fragt, welche aktuellen Erkenntnisse man hat - und man gar nicht mehr in den innersten Zirkeln drin ist?" Ähnlich äußerte sich eine Sprecherin des baden-württembergischen Innenministers Heribert Rech (CDU). "Wir verzichten nur ungern auf unsere Quellen", ließ auch der rheinland-pfälzische Innenminister Karl Peter Bruch (SPD) erklären.

Mit dem sachsen-anhaltischen Innenminister Holger Hövelmann (SPD) wies allerdings auch ein entschiedener Befürworter eines NPD-Verbots auf die praktischen Probleme eines Rückzugs der Informanten hin. Dies könne ja nur durch glaubwürdige "Abschaltung" und nicht als eine Art Selbstenttarnung durch offenen Rückzug aus Parteiämtern geschehen, sagte Hövelmanns Sprecher der taz.

Das benachbarte Bundesland Brandenburg biete zudem ein krasses Beispiel dafür, wie sich immer mehr freie Kameradschaften auflösten und unter dem Dach der NPD Unterschlupf fänden. Die dort aktiven Informanten des Verfassungsschutzes wanderten also mit, blieben aber für die Beobachtung der rechtsextremen Kameradschaften weiterhin wichtig. "Die Politik befindet sich seit dem gescheiterten Verbotsverfahren in einem Dilemma", hieß es aus Magdeburg.

Der nordrhein-westfälische Innenminister Ingo Wolf (FDP) meinte, für ihn stelle sich die Frage nach einem Abzug der V-Leute überhaupt nicht, da sein Bundesland ein neuerliches Verbotsverfahren ohnehin ablehne. "Generell helfen Parteiverbotsverfahren nicht weiter", erklärte Wolf. "Die NPD muss politisch bekämpft werden."

Thüringens Innenminister Karl Heinz Gasser (CDU) hält den Zeitpunkt für ein neues Verbotsverfahren für "derzeit nicht günstig". Sein Sprecher sagte, die Frage von V-Leuten sei zweitrangig. Nach dem Erkenntnisstand aus dem ersten Verbotsverfahren seien solche Informanten in Thüringen auch nicht aktiv.

Der künftige Umgang mit der NPD soll in dieser Woche auch Thema der in Nürnberg stattfindenden Innenministerkonferenz sein. Auf Anregung des schleswig-holsteinischen Innenministers Ralf Stegner (SPD) wollen sich die Politiker dort insbesondere mit den Unregelmäßigkeiten in den NPD-Parteifinanzen (siehe unten) beschäftigen.


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