26.01.2006

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*   Neonazis lassen nicht locker
Von Pascal Beucker
Heute will das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen entscheiden, ob das Verbot eines für Samstag geplanten Nazi-Aufmarsches rechtmäßig ist. Auch der Landtag beschäftigt sich mit den Braunen.

Marschieren sie oder marschieren sie nicht? Auch nach dem Verbot des für Samstag in Dortmund geplanten Nazi-Aufmarsches ist weiter unklar, ob Rechtsextremisten einen Tag nach dem Holocaustgedenktag in der Westfalenmetropole werden demonstrieren können. Wie das zuständige Verwaltungsgericht Gelsenkirchen auf Anfrage mitteilte, hat der Anmelder gegen die Verfügung des Dortmunder Polizeipräsidenten Hans Schulze gestern am frühen Nachmittag Widerspruch eingelegt. Heute will das Gericht entscheiden, ob es dem Begehren des einschlägig bekannten "freien Kameraden" Dennis Giemsch stattgegeben oder es abweisen wird.

Am Dienstag hatte Polizeipräsident Schulze - der trotz öffentlicher Proteste zunächst keine Möglichkeit hatte sehen wollen, die braune "Demonstration gegen staatliche Repression" zu verhindern - sich doch noch überraschend zu einem Verbot durchgerungen. Den Hintergrund bildete eine Entscheidung des Oberverwaltungsgericht Lüneburg vom selben Tag. Die Richter hatten das Verbot eines von dem einschlägig bekannten Neonazi Christian Worch vorbereiteten Parallelaufmarsches in der nordostniedersächsischen Stadt für rechtmäßig erklärt.

"Wird die Forderung nach Straffreiheit der Volksverhetzung - wie hier - in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Holocaust-Gedenktag erhoben, so ist dies geeignet, nicht nur die Ehre der Opfer des Nationalsozialismus zu missachten, sondern das Anstandsgefühl der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland zu verletzen und damit den öffentlichen Frieden gravierend zu stören", befanden die Richter. Sie wiesen zudem darauf hin, dass die verbotene Demonstration "Teil einer Kampagne von rechtsextremistischen Kreisen" sei und erwähnten dabei auch den Dortmunder Nazi-Aufzug.

Nach der Lüneburger Entscheidung habe er eine "neue Chance gesehen, die man gerne wählt", begründete Polizeichef Schulze seinen Sinneswandel. Denn der Gerichtsbeschluss ließe nun auch für Dortmund "ein Verbot plausibel erscheinen". Zuvor waren bereits ähnlich geartete Veranstaltungen in Celle, Karlsruhe und Stuttgart ebenfalls von den örtlichen Behörden untersagt worden. Pläne, auch in Hamburg und Berlin zu demonstrieren, hatten die Rechten selber aufgegeben.

Unterdessen wird sich heute auch der Innenausschuss des Landtags mit den neonazistischen Umtrieben im Lande befassen: Unter Hinweis auf die Dortmunder Demo verlangt die SPD-Opposition von Landesinnenminister Ingo Wolf (FDP) Auskunft darüber, "wie er die Neonazis in den Griff kriegen will", so deren innenpolitischer Sprecher Karsten Rudolph. Anlass ist die deutliche Zunahme rechtsextremistischer Straftaten. Laut Auskunft des Landesinnenministerium ist deren Zahl 2005 in NRW im Vergleich zum Vorjahr um fast 16 Prozent gestiegen. Insgesamt seien im letzten Jahr 2.524 rechtsextremistisch motivierte Straftaten begangen worden. Schwerpunkt seien wie schon in den Vorjahren so genannte "Propagandadelikte" gewesen. Die Täter stammten dabei nicht nur aus der bekannten Szene, sagte Ministeriumssprecherin Dagmar Pelzer: "Wir beobachten solche Delikte verstärkt in der breiten Bevölkerung."


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