16.02.2006

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*   Zahlenlehre eines Buddhas
Von Pascal Beucker
Weil jeder Opfer bringen müsse, sei der neue Haushalt sozial gerecht, wischt Ministerpräsident Jürgen Rüttgers im Düsseldorfer Landtag die harschen Einwände der Opposition vom Tisch.

Wäre Jürgen Rüttgers von etwas anderer körperlicher Statur, er könnte in diesen Tagen des rheinischen Sitzungskarnevals glatt als Buddha durchgehen. Während auf den Gängen bereits die Vorbereitungen für den traditionellen Karnevalsempfang des Landtags auf vollen Touren liefen, übte sich der Ministerpräsident gestern im Plenarsaal in aufreizender selbstzufriedener Gelassenheit.

So wischte Rüttgers die Einwände der Opposition gegen den ersten von der schwarz-gelben Landesregierung eingebrachten Haushalt einfach locker vom Tisch: Der vorgelegte Haushaltsentwurf sei ehrlich, seriös, wirtschaftlich produktiv und überdies auch noch "sozialpolitisch fair und gerecht", weil schließlich jeder Opfer bringen müsse. Außerdem markiere er das Ende des bis zum Regierungswechsel von Rot-Grün praktizierten "regierungsamtlichen Selbstbetrugs". SPD und Grüne hätten doch nur "Angst vor Veränderung, sie haben Angst vor Neuem". Den zahlreichen aufgebrachten rot-grünen Zwischenrufer beschied der Christdemokrat nur kühl: "Es gilt der alte Satz auch bei Zwischenrufen: Erst das Gehirn einschalten, dann den Mund aufmachen."

Zuvor hatten SPD-Fraktionschefin Hannelore Kraft und ihr grünes Pendant Sylvia Löhrmann schweres Geschütz gegen die selbst ernannte "Koalition der Erneuerung" aufgefahren. Schwarz-Gelb betreibe eine "Politik ohne Herz und Verstand", wetterte Kraft. "Sie machen Politik gegen die Menschen im Land." Wie eine Monstranz trage die Regierung ihr Credo "Privat vor Staat" vor sich her. Der "Rückzug des Landes aus Verantwortung" werde als Stärkung der Selbstverantwortung der Betroffenen verkauft. Tatsächlich würden jedoch tiefe Löcher in das soziale Netz gerissen: "Die bittere Wahrheit ist, dass oftmals gerade die, die Hilfe besonders brauchen, durch diese Löcher fallen werden." Kraft griff vor allem die Kürzungen von rund 100 Millionen Euro bei den Kindergärten an: "Sie machen die Kleinsten zu den größten Verlierern."

Löhrmann bezeichnete den schwarz-gelben Haushaltsentwurf als "ungerecht und zukunftsfeindlich". Statt die Finanzen wie versprochen zu konsolidieren, "stürzen Sie das Land in eine neue Rekordverschuldung", kritisierte die Grüne. Gleichzeitig zerstöre die schwarz-gelbe Regierung "das Fundament der nordrhein-westfälischen Zivilgesellschaft, indem Sie genau da massiv kürzen, wo sich Menschen für Menschen engagieren". Ihr eigenes Klientel bediene Schwarz-Gelb hingegen "dermaßen unverschämt, dass es Ihnen eigentlich die Schamesröte ins Gesicht treiben müsste".

Doch nicht nur Rüttgers zeigte sich von solchen Vorhaltungen gänzlich unbeeindruckt. Zum Sparkurs gebe es keine Alternative, sagte CDU-Fraktionschef Helmut Stahl. Für die katastrophale Haushaltssituation sei die jahrelange Schuldenpolitik von SPD und Grünen verantwortlich. "Solange Sie als Opposition unfähig sind zur Korrektur eines offensichtlich falschen, weil gescheiterten Politikkonzeptes, solange verdienen Sie nicht, ernst genommen zu werden in ihrer Kritik", stichelte Stahl besonders in Richtung der SPD, die bis heute eine "Opposition ohne Kraft" sei: "Sie, Frau Kraft, sind nur laut."

Auch sein FDP-Kollege Gerhard Papke hielt sich nicht unnötig mit sachlichen Argumenten auf. Rot-Grün habe einen "finanzpolitischen Scherbenhaufen" hinterlassen, nun lege die neue Koalition den "Haushalt eines ehrbaren Kaufmanns" vor, so Papke. Mit dem würden sich CDU und FDP "von rot-grünen Luftbuchungen" verabschieden - und auch von den "wirklich tiefen Spuren", die die Grünen im Landeshaushalt hinterlassen hätten. Als ein Beispiel führte er eine knapp 100.000 Euro teure Ausstellung unter dem Titel "Rikscha! Rikscha!" an, die "einen realistischen Einblick in aktuelle soziale und ökologische Aspekte der Rikscha als städtisches und ländliches Nahverkehrsmittel" habe vermitteln sollen. Ein Wort zu dem angeprangerten Kürzungen im sozialen Bereich verlor Papke hingegen nicht.


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