27.03.2006

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*   Noch 'ne Arbeiterpartei
Von Pascal Beucker
Die linke Wahlalternative wird aufgewertet: Die Landesspitzen von Ver.di und DGB besuchen den Landesparteitag der kleinen Linkspartei und sprechen über den politischen Widerstand.

Auch wenn Oskar Lafontaine mit den üblichen Standing Ovations bedacht wurde: Er war nicht die Hauptattraktion des Landesparteitages der Wahlalternative Arbeit & Soziale Gerechtigkeit (WASG). Denn diese Rolle übernahmen diesmal zwei andere: Noch nie zuvor hatte sich ein - traditionell sozialdemokratischer - Gewerkschaftsvorsitzender an Rhein und Ruhr offiziell auf die Konferenz einer kleinen außerparlamentarischen und linken Partei verirrt. So war der Besuch des neuen nordrhein-westfälischen DGB-Chefs Guntram Schneider und der Ver.di-Landesbezirksleiterin Gabriele Schmidt nicht nur für die am Wochenende im Dortmunder Reinoldinum versammelten rund 150 Delegierten gleich eine doppelte Premiere.

Er habe "überhaupt keinen Grund" gesehen, "diese Einladung abzulehnen, weil die Programmatik der WASG in großen Teilen mit der des DGB übereinstimmt", sagte Schneider. "Auch wenn es in der einen oder anderen strategischen Frage unterschiedliche Einschätzungen gibt." Nichts desto trotz hoffe er, "dass wir weiterhin an der Organisation von politischem Widerstand arbeiten". Gabriele Schmidt bedankte sich überschwänglich für die den Streikenden im öffentlichen Dienst entgegengebrachte Solidarität. Die täte "gut, weil Viele Solidarität in diesem Land nicht mehr für möglich gehalten haben". Weiter betonte sie, es gäbe viele "Menschen, die auf euch als parlamentarische Linke hoffen". WASG und Linkspartei müssten diese Chance nutzen. Sie sei "vielleicht die einzige Chance, die wir für Jahre haben", sagte die Ver.di Frontfrau.

Auch Lafontaine unterstrich in seiner halbstündigen Rede die Gemeinsamkeiten mit den Gewerkschaften: Wer angesichts der hohen Arbeitslosenzahlen ernsthaft noch längere Arbeitszeiten fordere, sei "nicht mehr normal im Kopf". Ansonsten nutzte der Linkspartei- Bundestagsfraktionschef die Gelegenheit, eindringlich für die Fusion von WASG und Linkspartei zu einer "neuen Linken" zu werben.

Das scheint auch nötig zu sein. Denn auch wenn es nach der Atomisierung des oppositionellen "Leverkusener Kreises" keinen ernsthaften Widerstand mehr unter den knapp 3.000 WASG-Mitgliedern in NRW gegen die geplante Vereinigung gibt, sind die Bauchschmerzen nicht verflogen. So gab es in dem vom Landesvorstand eingebrachten "Leitantrag" Streit über einen kurzen Satz: "Heute ist der Parteibildungsprozess nicht mehr ergebnisoffen", lautet der - und der Kreisverband Hagen hatte seine Streichung beantragt. Die Abstimmung fiel denkbar knapp aus: Bei acht Enthaltungen stimmten 62 Delegierte für die Streichung und 64 dagegen. Der Satz blieb drin und der Vereinigungszug rollt unaufhaltsam weiter: Für den 8. April bitten WASG und Linkspartei zur gemeinsamen "Parteibildungskonferenz" nach Essen.


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