28.04.2006

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*   Unis gegen neue Freiheit
Von Pascal Beucker
Von vorsichtiger Kritik bis zur schroffen Ablehnung reichen die Reaktionen der NRW-Universitäten auf den Gesetzentwurf von Wissenschaftsminister Pinkwart zum Umbau der Hochschulen.

Andreas Pinkwart verspricht Großes: Das von ihm geplante "Hochschulfreiheitsgesetz" läute nicht weniger als eine "neue Ära in der Hochschulpolitik" ein und beschere Nordrhein-Westfalen "das mit weitem Abstand freiheitlichste Hochschulrecht aller Bundesländer", verspricht der selbst ernannte "Innovationsminister". Doch die Begeisterung der betroffenen Universitäten hält sich arg in Grenzen. Das Land wolle mit dem neuen Gesetz "systemfremd in Hochschulen" hinein regulieren und habe noch nicht begriffen, was es eigentlich heiße, die Hochschulen in "paradigmatischer" Weise "freizusetzen", kritisiert beispielsweise der Rektor der Wuppertaler Uni und Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz NRW, Volker Ronge.

Auch wenn die Universitäten in ihren Stellungnahmen im internen Anhörungsverfahren des Landeswissenschaftsministeriums diplomatisch unverbindlich betonen, sie unterstützten "im Grundsatz" den von Pinkwart formulierten Anspruch, den Hochschulen mehr Autonomie und Verantwortung einzuräumen, so deutlich formulieren sie gleichzeitig ihren Unmut über den von dem Liberalen vorgelegten Gesetzentwurf. Ein Überblick.

RWTH Aachen

"Insbesondere die bisher völlig offene Lösung praktisch aller für die Hochschulen existentieller Fragen gibt Anlass zu größter Sorge."

Universität Bielefeld

"In Zukunft sollen die für die Entwicklung einer Hochschule wichtigsten Entscheidungen also von einem Gremium getroffen werden, das kein Selbstverwaltungsorgan der Hochschule ist, in dem vielmehr der Staat, der sich doch zurückziehen wollte, entscheidenden Einfluss hat. Dies ist mit der Idee von Hochschulfreiheit nicht vereinbar; insofern verdient das Gesetz seinen Namen nicht."

Ruhr-Universität Bochum

"Es ist nicht hinnehmbar, dass angesichts einer angespannten Haushaltslage des Landes im Zusammenspiel von Gesetzgebung und konkreter Fiskalpolitik einerseits den Hochschulen unter dem Rubrum von Freiheit und Autonomie vielfältige finanzielle Risiken aufgebürdet werden mit dem Risiko einer möglichen Insolvenz, andererseits aber unternehmerische Handlungsmöglichkeiten mehr als eingeschränkt sind, da eine Hochschule, die nicht Eigentümerin ihrer Liegenschaften ist, kaum kreditwürdig ist."

Universität Bonn

"Die Universität Bonn vermag der Vorstellung von der Insolvenzfähigkeit von Universitäten keinen Sinn abzugewinnen."

Universität Dortmund

Die Uni Dortmund hat beim Ministerium um eine Fristverlängerung für die Abgabe ihrer Stellungnahme gebeten, da sich der Senat erst gestern Nachmittag (nach Redaktionsschluss) mit dem Gesetzentwurf befassen konnte.

Universität Düsseldorf

Die Uni will ihre Stellungnahme "zur Zeit" nicht öffentlich machen.

Universität Duisburg-Essen

"In Bezug auf die Hochschulautonomie stehen gravierenden systematischen Einschränkungen lediglich wenige marginale Gewinne gegenüber."

Fern-Universität Hagen

"Das Gesetz zielt auf einen Leistungswettbewerb der Hochschulen ab, ohne dass vernünftige Maßstäbe oder Verfahren dieses Leistungswettbewerbs definiert werden."

Sporthochschule Köln

Senatsstellungnahme wird erst in der kommenden Woche ausgearbeitet.

Universität zu Köln

"Die Universität zu Köln betont, dass Hochschulen Einrichtungen für Wissenschaft und Forschung mit einem gesamtgesellschaftlichen Auftrag und keine Wirtschaftsunternehmen sind."

Universität Münster

"Der Entwurf leidet an einigen seine Eignung als Grundlage für eine effiziente Tätigkeit der Hochschulen grundsätzlich in Frage stellenden Mängeln."

Universität Paderborn

"Prinzipiell widerspricht der Gesetzentwurf zwei Grundsätzen, auf denen das deutsche Hochschulsystem seit Jahrzehnten erfolgreich beruht, welche Senat, Rektorat und Dekane als Grundpfeiler universitärer Wissenschaft verstehen:

- Freiheit von Forschung und Lehre

- Universität als öffentliche Bildungseinrichtung und Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden, getragen durch breite Partizipationsmöglichkeiten der hier tätigen Gruppen in den universitären Gremien."

Universität Siegen

"Dieser Entwurf verstößt gegen grundlegende Prinzipien des universitären Selbstverständnisses und verletzt das Recht der Hochschulen auf institutionelle Selbstverwaltung, das sich aus Art. 5 Abs. 3 GG ableitet."

Bergische Universität Wuppertal

Das Rektorat will seine Stellungnahme im Namen der Uni nicht öffentlich machen.


Per Aufsichtsrat in die Pleite segeln

Was heißt "Hochschulfreiheit" im geplanten Gesetz? Die Highlights aus Pinkwarts Plänen.

Was ist die gravierendste Änderung, die das "Hochschulfreiheitsgesetz" vorsieht?

Die Hochschulen sollen in Körperschaften des öffentlichen Rechts umgewandelt werden und künftig keine staatlichen Einrichtungen mehr sein. Dazu gehört vor allem die Übertragung der Verantwortung für Finanz-, Personal- und Organisationsentscheidungen.

Was bedeutet das?

Nicht zuletzt die Möglichkeit, Pleite zu gehen: "Die Hochschule wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Körperschaft oder mit Rechtskraft des Beschlusses, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird, aufgelöst", heißt es im Gesetzentwurf. In einem solchen Fall soll den zum Zeitpunkt der Auflösung eingeschriebenen Studierenden eine Studiumsfortsetzung an einer anderen Hochschule ermöglicht werden.

Was würde sich durch das Gesetz für die an der Hochschule Beschäftigten ändern?

Ihr Arbeitgeber und Dienstherr soll künftig nicht mehr das Land sein, sondern die jeweilige Hochschule. Dies gilt für alle Beamten und Angestellten, auch für das Hochschulpersonal, sofern es nicht nicht vom Geltungsbereich des BAT erfasst wird.

Was ändert sich an den Selbstverwaltungsstrukturen der Hochschulen?

Neu soll ein "Hochschulrat" eingeführt werden. Mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet, soll er als eine Art "Aufsichtsrat" fungieren. Vom Ministerium ernannt, soll dieser Rat mindestens zur Hälfte mit Mitgliedern von außerhalb der Hochschule besetzt sein (etwa Wirtschaftsmanagern). Daneben gibt es noch etliche - auch gravierende - Detailänderungen. So soll die Verpflichtung der Hochschulen, die Öffentlichkeit über die Erfüllung ihrer Aufgaben und die Verwendung ihrer Mittel zu unterrichten, gestrichen werden.

Und was halten die Studierenden von dem Gesetz?

Nichts. "Der vorgelegte Entwurf wäre mit ,Hochschulfremdbestimmungsgesetz' besser betitelt", konstatiert das Landes-ASten-Treffen. "Ein solches Gesetz wäre das Ende der Gruppenhochschule aufgrund des Irrglaubens, der Staat könne Hochschulen mit Unternehmen analogisieren und müsse sie deshalb nicht nur wettbewerblich steuern, sondern auch wie Unternehmen verfassen", so der Zusammenschluss der nordrhein-westfälischen Studierendenvertretungen.


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