30.05.2006

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*   Qualifikation, die Zweite
Von Pascal Beucker und Klaus Jansen
Afrikanische Fußballfans bangen um ihre Visa für die Einreise zur Weltmeisterschaft. Es wäre nicht das erste Mal, dass eigentlich willkommene Gäste draußen bleiben müssen.

Grund zur Freude hatten Fans der Elfenbeinküste in diesem Jahr gleich zweimal: Erst die überraschende Qualifikation zur Fußball-Weltmeisterschaft, dann der zweite Platz beim Afrika-Cup. Doch kurz vor der WM ist vielen Anhängern, die die "Elefanten" in ihr Quartier nach Niederkassel bei Bonn begleiten wollten, der Spaß vergangen: Nach taz-Informationen wurde etlichen von ihnen die Visa bislang für die Einreise verwehrt. "Das ist ein Riesenproblem", heißt es aus offiziellen ivorischen Kreisen.

Es wäre nicht das erste mal, dass Ärger über die Visa-Vergabe die Stimmung bei einem Großereignis trübt. Beim katholischen "Weltjugendtag" im Sommer vergangenen Jahres in Köln war Hunderten von Pilgern aus afrikanischen Ländern, von den Philippinen und aus Haiti die Einreiseerlaubnis verweigert worden. Der Limburger Bischof Franz Kamphaus sprach damals von einem "Skandal" und einer "Schande für unser Land".

Die ivorische Botschaft wollte Probleme bei der Einreise gestern weder bestätigen noch dementieren. Das Düsseldorfer Generalkonsulat von Serbien und Montenegro, dem zweiten in NRW gastierenden Team mit visa-pflichtigen Anhängern, bestritt hingegen etwaige Schwierigkeiten. Vor allem aus Afrika mehren sich jedoch Berichte über lange Wartezeiten und hohe Bearbeitungsgebühren: In der Neuen Zürcher Zeitung etwa berichtet ein togolesischer Sportreporter von "Durcheinander" in der Hauptstadt Lomé.

Die deutschen Behörden haben offenbar Angst, dass einzelne Fans den Trip nach Deutschland zum Auswandern nach Europa benutzen wollen. Deshalb wird auf die Durchsetzung der harten Einreiseregelungen (siehe unten) gepocht - und Fans wie auch Gastgeber müssen ausharren, bis alle Formalitäten erledigt sind.

"Das läuft alles etwas chaotisch. Ständig ändern sich die Listen der Gäste", sagt Wilhelm Streb vom Stadtmarketing in Düren. Die Stadt zwischen Aachen und Köln fungiert während des Turniers als Fanquartier für mehrere hundert Gäste von der Elfenbeinküste. Wie viele es genau werden, kann Streb nicht sagen: "Da passiert vieles auf den letzten Drücker."

Kurz vor der WM entsteht dadurch eine paradoxe Situation: Deutsche Gastgeber müssen ivorische Fans gegen deutsche Bürokratie verteidigen. Gemeinsam mit der exil-ivorischen Initiative Team Vie Sauve besorgen die Dürener Hotelreservierungen und schließen Reisekrankenversicherungen ab. Trotz der Hilfe ist jedoch klar: Der Durchschnitts-Ivorer haben es schwer, nach Deutschland zu kommen. "Es sind schon meist Leute, die dort einen guten Job oder eine gesellschaftliche Funktion haben", sagt Streb.

Zusätzliche Mitarbeiter in Botschaften hat das Auswärtige Amt für die WM-Reisewochen nicht abgestellt. Auf ihrer offiziellen Website zur WM verspricht die Bundesregierung jedoch, dass alle Gäste "zügig und serviceorientiert ihre Einreisedokumente erhalten werden". Zu möglichen Problemen bei der VISA-Vergabe wollte sich in Berlin gestern bis Redaktionsschluss niemand äußern.


Was Fußball-Deutschland entgehen könnte
Ein Visum für die WM zu erhalten, ist nicht einfach. Dabei haben Flüchtlinge den Fußball bereichert.

Wer ist visumpflichtig?

Von den 32 WM-Teilnehmern unterliegen elf Staaten der Visumpflicht: aus Afrika Angola, Elfenbeinküste, Ghana, Togo und Tunesien, aus Südamerika Ecuador, aus der Karibik Trinidad und Tobago, aus Asien Iran und Saudi-Arabien, aus Europa Serbien und Montenegro sowie die Ukraine. Menschen aus diesen Ländern benötigen ein Visum zur Einreise in die Bundesrepublik.

Wer erteilt die Visa?

Zuständig für die Visaerteilung sind die bundesdeutschen Auslandsvertretungen, in deren Amtsbezirk der Antragsteller wohnt. Einen Anspruch auf ein Visum gibt es nicht. Eine Ablehnung erfolgt in der Regel ohne Begründung und ist außerdem unanfechtbar.

Wer erhält ein Visum?

Das Visum darf erteilt werden, "wenn die Anwesenheit des Ausländers Interessen der Bundesrepublik Deutschland nicht beeinträchtigt oder gefährdet" (Auswärtiges Amt). Der Antragsteller muss belegen, dass er seinen Aufenthalt selbst finanziert oder ein Gastgeber für ihn aufkommt. Auch braucht er eine Reisekrankenversicherung. Die Auslandsvertretungen müssen zudem zur "Rückkehrbereitschaft" und "Rückkehrmöglichkeit" des Reisenden eine positive Prognose abgeben. Das Auswärtige Amt spricht hier von "nicht einfachen und verantwortungsvollen Ermessensentscheidungen".

Könnte wirklich jemand hier bleiben wollen?

Warum nicht? So hat Deutschlands Vorrundengegner Ecuador bereits vor WM-Beginn seine eigene Visa-Affäre am Hals: Der frühere Teamkoordinator Vinicio Luna und der ehemalige Mannschaftsarzt Patricio Maldonado sitzen im Gefängnis, weil sie Landsleute als Spieler getarnt und ihnen so illegal Visa für die USA verschafft haben. Kostenpunkt: 7.000 Euro pro Mann.

Hauen nur "Fans" ab?

Nein. So verdankt der FC Barcelona seinen Ruhm auch und gerade Ladislao Kubala, der 1950 aus Ungarn floh, als Spieler anschließend mit den Katalanen in zwölf Jahren vier Meistertitel gewann und später die spanische Nationalmannschaft trainierte. 1999 wurde er von den Barca-Fans zum "Fußballer des Jahrhunderts" gewählt. Oder Real Madrid: Hier zauberte nach seiner Flucht der legendären Ferenc Puskas, der 1956 nach einem Europapokalspiel von Honved Budapest in Bilbao nicht mehr nach Ungarn zurückkehren wollte. In Spanien blieben 1997 auch acht Spieler und ein Trainer der U21-Nationalmannschaft Albaniens nach Europameisterschaftsqualifikationsspielen und beantragten dort Asyl.

Und was ist mit der Bundesrepublik?

Auch die verdankt Fußballflüchtlingen einiges: Was wäre zum Beispiel die Nationalmannschaft 1974 ohne ihren Trainer, den "Zonen-Flüchtling" Helmut Schön gewesen? Der einstige Stürmerstar des Dresdner SC, der als Spielertrainer von 1945 an zunächst die Sachsen-, dann die Ostzonenauswahl trainiert hatte, floh Anfang der 50er Jahre in den Westen.


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