12.08.2006

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*   Heroin auf Rezept
Von Pascal Beucker
Die Kölner CDU-Bundestagsabgeordnete Ursula Heinen fordert die gesetzliche Zulassung der kontrollierten Heroinabgabe an Schwerstabhängige. Noch zieren sich ihre Parteifreunde in Berlin.

Soll Heroin als Medikament zugelassen werden? Der ideologische Streit tobt schon lange, die Fronten scheinen festgefahren. Hier die Vertreter einer humaneren Drogenpolitik, dort diejenigen, die darin eine nicht hinnehmbare Kapitulation vor der Drogensucht sehen. Ende dieses Jahres endet nun das erste bundesweite Modellprojekt zur heroingestützten Behandlung von Opiatabhängigen, an dem sich auch die Städte Bonn und Köln beteiligen. Obwohl die Ergebnisse gut sind, weigert sich allerdings die Union in der Großen Koalition in Berlin bislang, die alten Schützengräben zu verlassen. Jetzt fordert die stellvertretende CDU-Landesvorsitzende Ursula Heinen ein Umdenken von ihrer Partei.

Die Kölner Bundestagsabgeordnete plädiert für die gesetzliche Zulassung einer kontrollierten Heroinabgabe: "Der Staat muss in Hilfeleistung treten für schwerkranke Menschen", sagte Heinen der taz. Dazu gehöre auch, "Schwerstabhängigen, für die es keine Chance auf Heilung gibt und bei denen andere Therapieversuche gescheitert sind, ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen". Dieser Personengruppe sollte deswegen als letzte Überlebenshilfe ermöglicht werden, reines Heroin auf Rezept und unter ärztlicher Aufsicht erhalten zu können.

Mit dieser Position liegt Heinen zwar auf einer Linie mit der CDU in Köln, unterscheidet sich jedoch deutlich von der Mehrheitsauffassung in der Unionsfraktion im Bundestag. Hier überwiegen immer noch deutlich die ablehnenden Stimmen. CSU-Generalsekretär Markus Söder polterte gar unlängst: "Die CSU wird keinem Gesetz zustimmen, das den Staat zum Drogendealer macht."

Heinen bezeichnete solche Aussagen als "nicht hilfreich". Schließlich habe das seit vier Jahren bundesweit in sieben Städten laufende Modellprojekt gezeigt, dass die kontrollierte Heroinvergabe an Schwerstabhängige der herkömmlichen Methadontherapie offensichtlich überlegen sei. Die Christdemokratin hofft jetzt auf die Bund-Länder-Arbeitsgruppe, in der die Gesundheitsministerien derzeit prüfen, unter welchen fachlichen und rechtlichen Voraussetzungen das Therapieangebot für Schwerstabhängige um die heroingestützte Behandlung erweitert werden könnte. Das erste Treffen fand am vergangenen Montag statt. Ob hier jedoch eine Einigung jenseits der alten ideologischen Gräben gefunden werden kann, steht noch in den Sternen.

Unklar ist auch, wie sich die NRW-Landesregierung in der Auseinandersetzung positionieren will. Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) will sich jedenfalls bislang nicht in die Karten schauen lassen. Die bisher vorliegenden Ergebnisse des Modellprojektes habe das NRW-Gesundheitsministerium "zur Kenntnis genommen", beschied ein Sprecher der Hauses der taz auf Nachfrage. Ansonsten sei der Meinungsbildungsprozess der Bundesländer über die konkrete Umsetzung der Studienergebnisse "noch nicht abgeschlossen".

Wie viele Menschen von Opiaten abhängig sind, weiß niemand genau. Die Hochrechnungen variieren stark zwischen 120.000 und 280.000 bundesweit. Etwa drei Prozent gelten als Schwerstabhängige. An den Folgen ihres Rauschgiftkonsums starben laut dem aktuellen Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung alleine im vergangenen Jahr 1.326 Menschen. In Nordrhein-Westfalen waren es 350.


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