Wilhelm Vollmann war Landtagsabgeordneter - bis
der Kölner als Stasi-Zuträger enttarnt wurde. Das
sorgt jetzt in der WASG und der Linkspartei von Rheinland-Pfalz
für Aufregung. Zu Unrecht.
Die
Absender kommen aus den eigenen Reihen: der Wahlalternative Arbeit und
Soziale Gerechtigkeit (WASG) und der Linkspartei in Rheinland-Pfalz. Ob
bekannt sei, dass ein gewisser Wilhelm Vollmann "auf dem Weg zu einer
zweiten politischen Karriere" sei, fragt einer der Mailschreiber. Ein
anderer Informant teilt mit, dass besagter Herr "bereits Vorsitzender
des Parteirats der WASG RLP ist" - was "natürlich unter den
gegebenen Umständen ein unhaltbarer Zustand" sei. Die taz ist
nicht die einzige Zeitung, die solche Hinweise erhält. Auch
die Koblenzer Rhein-Zeitung
wird versorgt: "WASG-Präsidialer hatte Stasi-Kontakt",
schlagzeilt sie. Die Geister der Vergangenheit haben Wilhelm Vollmann
wieder eingeholt.
Exakt 13 Jahre ist es her, da machte der damalige nord-
rhein-westfälische Landtagsabgeordnete unfreiwillig bundesweit
Schlagzeilen: "Kölner SPD-Politiker steht unter
Stasi-Verdacht". Nicht nur der Kölner SPD-Unterbezirkschef
Kurt Uhlenbruch will es zunächst nicht glauben, dass sich
ausgerechnet sein Vorstandskollege, dieser "liebenswerte Chaot" und
"Prototyp des antiautoritären Spontis", mit dem VEB Horch
& Guck eingelassen haben soll.
Am Morgen des 16. September 1993 hebt das Düsseldorfer
Parlament die Immunität Vollmanns auf. Als der
frühere Juso-Landesvorsitzende im Landtag eintrifft, wartet
bereits ein Grenzschutzhubschrauber, um ihn zur
bundesanwaltschaftlichen Vernehmung nach Karlsruhe zu bringen. Dort ist
"IM Crohne" geständig: Ja, es stimme, dass er 1970 in
Ost-Berlin eine "Verpflichtungserklärung" unterschrieben und
bis 1989 mit dem DDR-Ministerium für Staatssicherheit (MfS)
zusammengearbeitet habe. Der Bundesgerichtshof erlässt
Haftbefehl. Gegen eine Kaution von 100.000 Mark bleibt Vollmann jedoch
auf freiem Fuß. Umgehend tritt er von all seinen politischen
Ämtern zurück und legt sein Parlamentsmandat nieder.
Er bitte "alle um Verzeihung, deren Vertrauen ich enttäuscht
habe". Sein Nachfolger im Landtag: Wolfgang Clement.
Der SPD-Austritt erfolgte im Februar 1994. Kurz zuvor hatte Vollmanns
Ortsverein Dellbrück mit knapper Mehrheit beschlossen, ein
Ausschlussverfahren zu beantragen. Im Juli 1996 verurteilte ihn das
Düsseldorfer Oberlandesgericht (OLG) wegen DDR-Spionage zu
einer Freiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung und einer
Geldbuße von 10.000 Mark.
Die Erinnerung ist für den heute 67-Jährigen
schmerzhaft. "Eigentlich hatte ich mit dem Kapitel längst
abgeschlossen", sagt der Diplom-Psychologe, der bis zu seiner
Pensionierung 2005 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Bonn
arbeitete. Dass noch einmal jemand "diese ollen Kamellen" herauskramen
würde, damit habe er wirklich nicht gerechnet. Doch der im
April in das rheinland-pfälzische
WASG-Parteiratspräsidium Gewählte ist in die Macht-
und Ränkespiele im Vorfeld der geplanten Fusion von WASG und
Linkspartei geraten. Seit Monaten bekriegen sich gerade in
Rheinland-Pfalz Mitglieder der beiden Parteien mit- und untereinander
mit härtesten Bandagen.
Dabei liegt der Fall des inzwischen in der Eifel lebenden Vollmann
nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Denn hier
geht es weder um einen Topspion noch um einen jener miesen Spitzel, die
das MfS mit persönlichen Daten oder Einschätzungen
von einzelnen Personen bedienten. Was er stattdessen getan hat: Er gab
auf rund zwanzig konspirativen Treffen seinen
Führungsoffizieren mündliche Einschätzungen
der weltpolitischen Lage im Allgemeinen und über den Zustand
der SPD im Besonderen. Sie waren geprägt von jener
"analytischen Schärfe", die auch andere, weniger klandestine
Ergüsse der SPD-Linken dieser Zeit auszeichnete. Die
Ausführungen waren also nicht von
übermäßiger Realitätsnähe
angekränkelt. Zudem lieferte er Redemanuskripte und
Beschlüsse von Parteitagen sowie vergleichbar "geheime"
Dokumente. Einen Agentenlohn gab es dafür nicht. In seiner
Urteilsbegründung stellte das OLG 1996 fest, Vollmann habe
"ohne finanzielle Interessen aus politisch-ideologischer
Überzeugung" gehandelt. Das Resümee des Gerichts:
"Ein messbarer Schaden ist der Bundesrepublik Deutschland durch seine
Tätigkeit nicht entstanden."
Er sei ein "naiver politischer Romantiker", charakterisierte ihn sein
Verteidiger Reinhard Birkenstock. Vollmann will nicht widersprechen. Er
habe selbstüberschätzend seinen ganz individuellen
Beitrag gegen den "Geist des Kalten Krieges" leisten wollen.
Später, als ihm sein Irrtum bewusst geworden sei, habe ihm der
Mut zum Absprung gefehlt. Dafür habe er seine gerechte Strafe
erhalten - und bezahlt.
Dass ihm nun einige aus seinen früheren Fehlern - aus denen er
kein Geheimnis gemacht hat - denunziatorisch einen Strick drehen
wollten, empört ihn. So schlimm seien sie damals nicht einmal
in der SPD mit ihm umgegangen. "Da ist eine Grenze
überschritten worden." Doch aufgeben will Vollmann nicht: "Ich
wollte immer eine starke demokratische Linke - und dafür werde
ich mich weiter einsetzen."
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