02.11.2006

Startseite
taz nrw
taz

*   VOR ORT: über eine Kölner Familie, die kein "Arisierungsprofiteur" gewesen sein will
Von Pascal Beucker
Der Streit um die Bewertung von Grundstücksgeschäften der Kölner Verlegerfamilie Neven Dumont im Nationalsozialismus ist ein bizarres Schauspiel mit vielen Aufzügen. Am vergangenen Dienstag kam im Saal 153 des Oberlandesgerichtes in Köln ein weiterer Akt zur Aufführung. Zu verhandeln hatte der Vorsitzende Richter Axel Jährig über die Berufung der Kölner Journalisten Albrecht Kieser und Peter Kleinert gegen ein Urteil der Pressekammer des Landgerichts Köln vom Mai. Kieser und Kleinert wollen nicht hinnehmen, dass ihnen zentrale Aussagen eines in dem Online-Magazin Neue Rheinische Zeitung veröffentlichten Textes untersagt sein sollen. So war ihnen schon die Überschrift ihres Artikels verboten worden: "Kein ,Widerstand', sondern Arisierungs-Profite".

Ähnliches hatte auch der Spiegel behauptet. Im Februar schrieb das Nachrichtenmagazin unter der Überschrift "Klüngeln im Krieg", die Neven DuMonts inszenierten sich "gern als Opfer der Nazis", hätten tatsächlich jedoch "zu den Profiteuren der ,Arisierungen'" gehört. In der vergangenen Woche leistete das Hamburger Blatt öffentlich Abbitte: In dem damaligen Artikel "enthaltene Behauptungen, die Eltern von Alfred Neven DuMont sowie dessen Verlag M. DuMont Schauberg hätten von ,Arisierungen' und den ,Enteignungen ihrer jüdischen Nachbarn' profitiert, haben sich als nicht stichhaltig erwiesen", ist in einem kleinen unscheinbaren Text auf Seite 111 zu lesen. Einhergehend mit dem Abdruck seiner Kapitulationserklärung verzichtete der Spiegel auch darauf, Rechtsmittel gegen seine Niederlage vor dem Kölner Landgericht im Oktober einzulegen.

Nur Kieser und Kleinert wollen einfach nicht klein beigeben. Für sie bleibe "entscheidend", so formuliert es ihr Anwalt Eberhard Reinecke, nicht nur darüber berichten zu können, dass der Vater Alfred Neven DuMonts "ein hochdekorierter Parteigenosse war", sondern sich "auch bezüglich der Grundstücksgeschäfte" die Eltern des heutigen Verlagsseniorchefs "nicht von einer Vielzahl anderer Deutscher unterschieden, die - streng nach den damaligen Vorschriften - jüdisches Eigentum erworben haben". Und dass dies "als Arisierung bezeichnet werden kann".

Die Aussichten, dies weiterhin behaupten zu dürfen, stehen gut - und trotzdem werden Kieser und Kleinert auch den Prozess vor dem Oberlandesgericht verlieren. Nach der Definition von Richter Jährig ist unter "Arisierung" die "unter Druck geschehene Überführung von jüdischem Eigentum in nicht-jüdische Hand" zu verstehen. Darunter dürften zwar auch jene Grundstücke fallen, die zu Beginn der Nazi-Barbarei jüdischen Besitzern gehörten und sich am Ende im Besitz der Neven DuMonts befanden. Aber nur deswegen, daran ließ Jährig keinen Zweifel, dürften die Journalisten noch nicht behaupten, die Neven DuMonts hätten mit dem Erwerb der Grundstücke "Arisierungsprofite" gemacht, seien also "Arisierungsprofiteure". Solche Begriffe seien einfach zu negativ besetzt. Die endgültige Urteilsverkündung ist für den 21. November angesetzt.

© Pascal Beucker. Alle Rechte an Inhalt, Gestaltung, Fotos liegen bei dem Autoren. Direkte und indirekte Kopien, sowie die Verwendung von Text und Bild nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung des Autoren.