23.05.2007

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Jungle World

*   Der »Titel-Heldt«
Von Pascal Beucker

Das Drumherum beweist: Im VfB Stuttgart drückt sich das Unästhetische des Siegens aus.

Es war ein kaum beachteter Erfolg. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, ließ der VfB Stuttgart an diesem Wochenende auf heimischen Platz dem Gegner keine Chance. Mit seinem verdienten 2:1-Sieg über den Tabellennachbarn HC Esslingen festigte das Team um Spielertrainer Jens Blume auf der Kunstrasenanlage gegenüber dem Gottlieb-Daimler-Stadion seinen Platz im Mittelfeld der Tabelle. Ach so, auch hier soll es eigentlich um die erste Herrenmannschaft des »Vereins für Bewegungsspiele« im Fußball und nicht die im Feldhockey gehen, also auch nicht um die Helden der Verbands-, sondern um die der Bundesliga?

Schade. Dabei ist über die Mannschaft von Trainer Armin Veh und Teammanager Horst Heldt doch in den vergangenen Tagen bereits andernorts so viel jubiliert worden – ganz so, als wäre der VfB plötzlich nicht mehr jener abgrundtief unsympathische Verein aus einer abgrundtief öden Stadt, den sich kultiviertere Zeitgenossen eigentlich eher im Mittelfeld einer Verbands- als an der Spitze der Bundesliga wünschen. Und es gibt Ästhetischeres als Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Günther Oettinger strahlend im Meistershirt und mit Fanschal.

Wer hat schon etwas dagegen, dass ausnahmsweise mal nicht der FC Bayern Meister wird? Aber die Münchener waren schon aus dem Rennen, als sie vom VfB Mitte April mit einem Doppelpack von Cacau abgefrühstückt wurden. Die Schwaben hätten sich mit dem allgemeinen Dank dafür begnügen sollen. Denn die nunmehr insgesamt fünfte Meisterschaft hätte es nun wirklich nicht auch noch sein müssen – und wäre es auch nicht geworden, wenn sich die Konkurrenz aus Gelsenkirchen und Bremen – von den Bayern ganz zu schweigen – nicht so dämlich angestellt hätte.

Nachdem für seine Losertruppe mal wieder alles verloren war, konstatierte Schalkes Manager Andreas Müller ganz treffend: »Es war wohl noch nie so einfach, deutscher Meister zu werden.« Stuttgart hat gepunktet, als es darauf ankam. Die anderen nicht. Das war’s.

Dass ausgerechnet der jüngsten Bundesligamannschaft das einmalige Kunststück gelungen ist, die Saison auf dem letzten Tabellenplatz zu beginnen und auf Platz 1 abzuschließen, verdient Anerkennung. Aber deshalb müssen sich gestandene Sportjournalisten doch nicht derartig ekstatisch auf dem Wortspielplatz austoben und neckische Blödheiten wie »Wunder-Veh« und »Titel-Heldt« fabrizieren. Man ist gern bei den Siegern. Doch um diesen Verein zu mögen, bedarf es wirklich mehr als einer unerwarteten Meisterschaft.

Auch der VfB tritt unter Vehs Ägide nicht als Ensemble teurer und individualistischer Stars, sondern als ein Kollektiv auf. Doch sonst hat er nicht viel mit Schalke gemeinsam und hat auch nichts mit irgendwelchen Gepflogenheiten eines sozialdemokratisch-kommunistischen Milieus am Hut. Er ist vielmehr ein Verein des Kapitals. So reicht bei der Betrachtung auch nicht die Sicht auf die Hildebrandt, Hitzelsperger oder Hilbert. Da sind ja – und das haben die Fußball- mit den Hockeyherren gemeinsam – leider auch noch jene nur schwer erträglichen Vereinsoberen. Inzwischen ist zwar nicht mehr der erzreaktionäre Gerhard Meyer-Vorfelder Präsident, der den VfB ein Vierteljahrhundert lang bis zum Jahr 2000 und beinahe in den Konkurs führte. Wie kein anderer repräsentierte der Christdemokrat die deutschnationale Tradition eines Vereins, der bereits in der Weimarer Republik bereitwillig der NSDAP seinen Platz für Kundgebungen zur Verfügung stellte und stolz ab 1933 in der »Adolf-Hitler-Kampfbahn« kickte.

Das heißt heute Gottlieb-Daimler-Stadion und der VfB-Präsident Erwin Staudt. Er war früher Deutschland-Chef von IBM und ist immer noch »Botschafter« der »Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft«, der Agitprop-Abteilung des deutschen Neoliberalismus. Dem Aufsichtsrat steht mit Dieter Hundt der Vorsitzende der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) vor. Und kann ein einigermaßen vernunftbegabter Fußballfan wirklich mit einem Verein feiern, der mit EnBW einen Atomkonzern zum Hauptsponsor hat?

Dann doch lieber ganz links-traditionalistisch nächste Saison mal wieder die Meisterschaft für Werder Bremen. Oder den SC Freiburg. Aber nur mit Finke.


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