27.06.2007

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Jungle World

*   Als der Dicke noch regierte
Von Pascal Beucker

Kohl und der Friedensnobelpreis.

Helmut KohlEs erscheint wie ein Wetterleuchten aus weiter Ferne. Ein Vierteljahrhundert nachdem Nicole mit ihrem Song »Ein bisschen Frieden« den Grand Prix d’Eurovision de la Chanson gewinnen konnte und Helmut Kohl seinen Dienst als letzter Bundeskanzler der Bonner Republik antrat, soll der heute 77jährige Politpensionär den Friedensnobelpreis erhalten. Das haben jedenfalls vor kurzem der Präsident der EU-Kommission, José Manuel Barroso, und Michail Gorbatschow, der einstige Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, dem Preiskomitee in Oslo vorgeschlagen. Nur Kohls einstige Untertanen zeigen sich bislang noch nicht so begeistert von der Idee: Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa sprechen sich 52 Prozent der Bundesbürger gegen die Ehrung Kohls aus – 55 Prozent der West- und 41 Prozent der Ostdeutschen.

Vor zehn Jahren, als gerade eine linke Wochenzeitung in Berlin gegründet wurde, ermittelte Forsa ähnlich negative Werte für den »Kanzler der deutschen Einheit«: 56 Prozent der Befragten wollten Kohl seinerzeit nicht mehr länger als Bundeskanzler sehen, nur 30 Prozent unterstützten ihn noch. Im Spiegel spottete Rudolf Augstein bereits über den »Kanzler auf Abbruch«.

Dieser allerdings, mittlerweile bereits länger im Amt als sein großes Vorbild Konrad Adenauer, zeigte sich nach wie vor fest davon überzeugt, dass er die Wahlschlacht im darauf folgenden Jahr noch einmal siegreich überstehen und auch seinen fünften sozialdemokratischen Herausforderer aus dem Feld schlagen könne. Er sei »bei allem Ärger und Überdruss motivierter denn je«, sagte Kohl im Sommer 1997.

Einem Vertrauten verriet er damals sein Wunschszenario: Im Jahr 2000 wolle er den Stab an den von ihm persönlich zum »Kronprinzen« erkorenen Wolfgang Schäuble weitergeben, der dann bis zur folgenden Bundestagswahl noch zwei Jahre Zeit habe, »um unter Beweis zu stellen, dass er den Job kann«.

Aber es kam bekanntlich anders. Am 27. September 1998 wurden Kohl und seine schwarz-gelbe Regierung abgewählt. Mit vereinten Kräften hatten es Gerhard Schröder, Oskar Lafontaine und Joschka Fischer geschafft.

Danach ging es mit Kohl vorübergehend steil bergab. Die Abnabelung von seiner Partei verlief wegen der Aufdeckung der CDU-Spendenaffäre etwas heftiger und schneller, als er es erwartet hatte; schließlich war das Geld just in der Zeit verschoben worden, als Kohl Vorsitzender der Partei war. Anfang 2000 kostete der Schwarzgeldskandal ihn den Ehrenvorsitz der CDU, der ihm erst kurz zuvor verliehen worden war. Kohls Ruf schien ruiniert. Eine Zeit lang galt er auch in den eigenen Reihen geradezu als persona non grata.

Doch das ist längst passé. Inzwischen kann der Mann sich vor Ehrungen kaum noch retten: Den »Franz-Josef-Strauß-Preis« erhielt er im Jahr 2005, den »Sonderpreis des Konrad-Adenauer-Preises für Kommunalpolitik« im vergangenen Jahr. Da fehlt in der Tat nur noch der Friedensnobelpreis.

Wäre er nicht so ein schrecklicher Reaktionär, könnte dem Vorschlag, ihm den Preis zu verleihen, durchaus eine gewisse Plausibilität zugesprochen werden. Denn zu Kohls Zeiten beteiligte sich Deutschland immerhin noch nicht an völkerrechtswidrigen Angriffskriegen (wenn seine Regierung sie vielleicht auch vorbereiten half). Sein Hinweis, dass deutsche Soldaten dort nichts zu suchen hätten, wo einst die Wehrmacht gewütet habe, klingt heute eigenartig altmodisch. Bereits sein Nachfolger Gerhard Schröder kümmerte sich nicht mehr um solche Kleinigkeiten.


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