Kohl und der
Friedensnobelpreis.
Es erscheint wie ein
Wetterleuchten aus weiter Ferne. Ein Vierteljahrhundert nachdem Nicole mit
ihrem Song »Ein bisschen Frieden« den Grand Prix d’Eurovision de la
Chanson gewinnen konnte und Helmut Kohl seinen Dienst als letzter
Bundeskanzler der Bonner Republik antrat, soll der heute 77jährige
Politpensionär
den Friedensnobelpreis erhalten. Das haben jedenfalls vor kurzem der Präsident
der EU-Kommission, José Manuel Barroso, und Michail Gorbatschow, der
einstige Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei
der Sowjetunion, dem Preiskomitee in Oslo vorgeschlagen. Nur Kohls
einstige Untertanen zeigen sich bislang noch nicht so begeistert von der
Idee: Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa sprechen
sich 52 Prozent der Bundesbürger gegen die Ehrung Kohls aus – 55
Prozent der West- und 41 Prozent der Ostdeutschen.
Vor zehn Jahren, als gerade
eine linke Wochenzeitung in Berlin gegründet wurde, ermittelte Forsa ähnlich
negative Werte für den »Kanzler der deutschen Einheit«: 56 Prozent der
Befragten wollten Kohl seinerzeit nicht mehr länger als Bundeskanzler
sehen, nur 30 Prozent unterstützten ihn noch. Im Spiegel spottete Rudolf
Augstein bereits über den »Kanzler auf Abbruch«.
Dieser allerdings,
mittlerweile bereits länger im Amt als sein großes Vorbild Konrad
Adenauer, zeigte sich nach wie vor fest davon überzeugt, dass er die
Wahlschlacht im darauf folgenden Jahr noch einmal siegreich überstehen
und auch seinen fünften sozialdemokratischen Herausforderer aus dem Feld
schlagen könne. Er sei »bei allem Ärger und Überdruss motivierter denn
je«, sagte Kohl im Sommer 1997.
Einem Vertrauten verriet er
damals sein Wunschszenario: Im Jahr 2000 wolle er den Stab an den von ihm
persönlich zum »Kronprinzen« erkorenen Wolfgang Schäuble weitergeben,
der dann bis zur folgenden Bundestagswahl noch zwei Jahre Zeit habe, »um
unter Beweis zu stellen, dass er den Job kann«.
Aber es kam bekanntlich
anders. Am 27. September 1998 wurden Kohl und seine schwarz-gelbe
Regierung abgewählt. Mit vereinten Kräften hatten es Gerhard Schröder,
Oskar Lafontaine und Joschka Fischer geschafft.
Danach ging es mit Kohl vorübergehend
steil bergab. Die Abnabelung von seiner Partei verlief wegen der
Aufdeckung der CDU-Spendenaffäre etwas heftiger und schneller, als er es
erwartet hatte; schließlich war das Geld just in der Zeit verschoben
worden, als Kohl Vorsitzender der Partei war. Anfang 2000 kostete der
Schwarzgeldskandal ihn den Ehrenvorsitz der CDU, der ihm erst kurz zuvor
verliehen worden war. Kohls Ruf schien ruiniert. Eine Zeit lang galt er
auch in den eigenen Reihen geradezu als persona non grata.
Doch das ist längst passé.
Inzwischen kann der Mann sich vor Ehrungen kaum noch retten: Den »Franz-Josef-Strauß-Preis«
erhielt er im Jahr 2005, den »Sonderpreis des Konrad-Adenauer-Preises für
Kommunalpolitik« im vergangenen Jahr. Da fehlt in der Tat nur noch der
Friedensnobelpreis.
Wäre er nicht so ein
schrecklicher Reaktionär, könnte dem Vorschlag, ihm den Preis zu
verleihen, durchaus eine gewisse Plausibilität zugesprochen werden. Denn
zu Kohls Zeiten beteiligte sich Deutschland immerhin noch nicht an völkerrechtswidrigen
Angriffskriegen (wenn seine Regierung sie vielleicht auch vorbereiten
half). Sein Hinweis, dass deutsche Soldaten dort nichts zu suchen hätten,
wo einst die Wehrmacht gewütet habe, klingt heute eigenartig altmodisch.
Bereits sein Nachfolger Gerhard Schröder kümmerte sich nicht mehr um
solche Kleinigkeiten. |