Sie ist längst nicht mehr
liberal, sie ist erfolgreich und erfolglos zugleich: Westerwelles FDP.
Es soll niemand behaupten,
die FDP könnte nichts mehr bewegen. In Kleinmachnow entfernte das dortige
Landratsamt unlängst einen Gedenkstein für Wilhelm Pieck vor der
Allgemeinen Förderschule am Schleusenweg. »Aufgrund einer Anfrage des
Kleinmachnower FDP-Abgeordneten Wolfgang Jordan im Kreistag«, wie dessen
Ortsverein stolz meldete.
Im Bundestag ist die FDP
mit 61 Abgeordneten die stärkste Oppositionspartei; in den Umfragen liegt
sie bei rund zehn Prozent. Nach vielen Krisenjahren erlebt die Partei,
seit Guido Westerwelle den Parteivorsitz vor rund sechs Jahren übernahm,
eine erstaunliche Hochphase, sitzt inzwischen wieder in zwölf von 16
Landtagen und im Europa-Parlament. Schlüssig erklären lässt sich dieses
Phänomen nicht. Denn zum einen erlebt die Partei mit drei gescheiterten
Versuchen, in die Bundesregierung zurückzukehren, auch die erfolgloseste
Phase ihrer fast 60jährigen Geschichte. Zum anderen ist kaum zu übersehen,
dass die FDP heutzutage nur noch aus dem Mythos besteht, eine liberale
Partei zu sein.
Ihr Frontmann gehört
jedenfalls nach einer Forsa-Umfrage im Auftrag der Bild am Sonntag
– gemeinsam mit Franz Beckenbauer, Joseph Ratzinger und Herbert Grönemeyer,
aber im Gegensatz zu Angela Merkel, Horst Köhler oder Helmut Kohl – zu
jenen Deutschen, die jeder Bundesbürger kennt. Mindestens 7. 000 Euro,
wahrscheinlich zum Teil noch weit mehr, lassen es sich Unternehmen kosten,
den 45jährigen gelernten Rechtsanwalt bei sich auftreten zu lassen.
Seine Partei hat sich
Westerwelle, seit einem Jahr auch Vorsitzender der Bundestagsfraktion,
unterdessen ganz nach seiner Fasson zugerichtet. »Die Art, wie ich den
Vorsitz ausübe, besteht einerseits aus klarer Führung und andererseits
aus dem Wissen, dass viele bunte Blumen auf der liberalen Wiese blühen«,
flunkerte Westerwelle kürzlich in einem Zeitungsinterview. Tatsächlich
beherrscht er die Partei wie keiner seiner Vorgänger in den vergangenen
Jahrzehnten. Unter seiner Ägide habe sich »die einst von ideenreichen Flügeln,
landsmannschaftlichen Eigenwilligkeiten und skrupellosen Ehrgeizlingen
durchwirkte Partei in eine disziplinierte Stabsorganisation verwandelt«,
konstatiert die FAZ.
Und in eine Art Drückerkolonne.
Für die kann man sich auf der Internetseite der FDP sogar bewerben: »Ja,
ich will Kampagnenbotschafter werden!« Denn Kampagnen gibt es bei den
Freidemokraten viele, sehr viele. Zur Auswahl stehen etwa eine »Steuerkampagne«,
eine »Gesundheitsreformkampagne« und die Kampagne »Selbstdenker gesucht«.
Ein Höhepunkt der »Kulturkampagne« ist der gerade mit 50 Einsendungen
zu Ende gegangene Malwettbewerb »150 Jahre Schweriner Schloss und
Schlossgarten und 50 Jahre Schweriner Zoo«. Weiter gibt es noch »Unsere
Goldtimer – Im Alter immer wertvoller«. Damit will die FDP jene
Generation erreichen, »der wir unseren heutigen Wohlstand zu verdanken
haben: der Generation 60plus«. Darüber hinaus setzt die FDP dem
Bundesgeschäftsführer Hans-Jürgen Beerfeltz zufolge in ihrer »Mitgliederwerbekampagne«
unter dem Motto »Für alle, die mehr wollen« auf das »urliberale,
optimistische und moderne Lebensgefühl«, das zur »Identität« der FDP
gehöre – getreu der Devise »Liebe.Lebe.Liberal!«
Wem das noch nicht reicht,
dem wird »Die Mitte stärken!« geboten. Mit dieser Kampagne will sich
die FDP als Anwältin der »vergessenen deutschen Mitte« präsentieren,
also jener Menschen, »die einsteigen, nicht aussteigen wollen«. Während
sich ja bekanntlich »Kommunisten sowie rote, schwarze und grüne
Sozialdemokraten auf die Ränder der Gesellschaft« konzentrierten. Daher
diskutierten diese über »Heuschrecken« und »Unterschichten«, über
Mindestlohn und Reichensteuer. »Mit der Lebenswirklichkeit der Mehrheit
der Bevölkerung hat das nichts zu tun«, weiß die FDP.
Eine Bürgerrechtskampagne
hingegen fehlt im Angebot. Auf diesem Feld – zu den besten Zeiten von
Werner Maihofer, Gerhart Rudolf Baum und Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger noch ein liberales Markenzeichen – hat die
FDP nicht mehr viel vorzuweisen. Ihren beiden amtierenden Landesministern,
Innenminister Ingo Wolf in Nordrhein-Westfalen und Justizminister Ulrich
Goll in Baden-Württemberg, würde man nicht gerecht, wenn man ihnen
unterstellte, sie hätten ein besonderes Faible für den Schutz von Grund-
und Freiheitsrechten.
So hat der frühere
FDP-Bundesinnenminister Baum Verfassungsbeschwerde gegen das von Wolf
verantwortete nordrhein-westfälische Verfassungsschutzgesetz eingereicht,
das dem Geheimdienst unter bestimmten Bedingungen das heimliche Ausspähen
von Computern erlaubt. Nach Baums Ansicht verstößt das Gesetz gleich
gegen drei Grundrechte: die Unverletzlichkeit der Wohnung, das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung und die Garantie eines effektiven
Rechtsschutzes. Und Goll profilierte sich mit seinem unerbittlichen Kampf
gegen Hafterleichterungen für den seit einem Vierteljahrhundert
inhaftierten ehemaligen Jungdemokraten Christian Klar, für dessen
Begnadigung sich sowohl Baum als auch der ehemalige Bundesjustizminister
Klaus Kinkel eingesetzt hatten – und dafür von Westerwelle abgekanzelt
wurden: »Wenn ein Serientäter keine Reue zeigt, kann er nicht mit Gnade
rechnen.«
Der »Liberalismus«
Westerwelles ist nicht viel mehr als eine krude Mischung aus
brachialkapitalistischer Ideologie und reiner Machtpolitik, vermengt mit
einer beinahe schon grandios komischen antisozialistischen Propaganda, mit
der er das ängstliche Bürgertum bei Wahlen an die Urnen treiben will. So
zelebriert er mit einem schier unerschöpflichen Phrasenschwall sich und
seine Partei als »Bollwerk gegen links«. Tief in die konservative
Mottenkiste greifend, warnte Westerwelle unter dem Motto »Freiheit statt
Sozialismus« auf dem FDP-Bundesparteitag Mitte Juni in Stuttgart davor,
dass derzeit wieder Kommunisten und Sozialisten aus der Versenkung
auftauchten: »Dieses Land ist zu wertvoll, als dass man es Extremisten überlassen
darf.« Er sei strikt »gegen diese Wiederbelebung dieser modrigen Leiche«.
Mit großem Pathos und
unter heftigem Beifall forderte er: »Lasst uns gemeinsam dafür kämpfen,
dass dieses Land seine geistige Achse nicht verliert oder nach links
verschiebt!« Und weiter: »Markt ist besser als Marx, und liberaler ist
sozialer als Hammer und Sichel und jede rote Fahne.« Der Sozialismus habe
seinen Platz in Deutschland nur noch in der Geschichtsabteilung der
Bibliotheken, sonst nirgendwo mehr. Also auch nicht im Parlament. Schon
der von der Partei »Die Linke« verwendete Begriff »Demokratischer
Sozialismus« sei ein Widerspruch in sich. »Demokratischer Sozialismus,
das ist eine Art vegetarischer Schlachthof«, sagte Westerwelle, der
Kalauer mag. Die FDP hingegen sei »der Freiheitskompass der deutschen
Republik in unserer Zeit«. Und er selbst? Auch darauf gab Westerwelle auf
jenem FDP-Parteitag eine Antwort: »Hier steht die Freiheitsstatue dieser
Republik!«
Ein Vorschlag zur Güte:
Wie wäre es, die Freiheitsstatue der Republik anstelle des
Wilhelm-Pieck-Gedenksteins vor der Allgemeinen Förderschule am
Schleusenweg in Kleinmachnow aufzustellen? Dann wäre endlich Ruhe. |