20.02.2007

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junge Welt


*   »Hölle alaaf!« für den Kardinal
Von Pascal Beucker

Alternative Brauchtumspflege beim Kölner Rosenmontagszug.

Protestaktion beim Kölner RosenmontagszugDa simmer dabei, dat is prima! Der Kölner Rosenmontagszug, ansonsten nicht gerade für Innovation und Progressivität bekannt, bot in diesem Jahr eine bemerkenswerte Premiere. Ausgestattet mit meterhohen Puppen, fair gehandelten Süßigkeiten und umgedichteten Karnevalsliedern bereicherten ihn Globalisierungskritiker und Antimilitaristen. Gemäß dem offiziellen Motto »M’r all sin Kölle« betrieben rund 100 Aktivisten von ATTAC und dem BUND sowie Mitglieder der Initiative »Bundeswehr wegtreten!« alternative Brauchtumspflege: Sie zogen im traditionellen »Zoch vor dem Zoch« mit, der rund zwei Stunden vor dem »richtigen« Zug auf die Strecke ging.

Neugierig bestaunt von mehreren hunderttausend am Weg stehenden Jecken und misstrauisch beobachtet von der Polizei, demonstrierten die Globalisierungskritiker unter dem Slogan »G8: Wir verheizen die Welt« gegen den für Anfang Juni in Heiligendamm geplanten G-8-Gipfel der größten Industrienationen. Verkleidet hatte sich der eine Teil der Karnevalsdemonstranten als Jungmanager und Politikerkarikaturen. Sie trieben den anderen Teil, den globalen Pöbel vor sich her: Soldatengerippe, angekettete Bauern, zerlumpte Obdachlose, verdorrte Bäume, ärmlich gekleidete Frauen mit Kindern auf dem Arm und Guantánamo-Häftlinge. Mit imitierten Bahntickets warben die selbsternannten »G-8-Pappnasen« zudem für einen Demo-Sonderzug nach Heiligendamm: »Lieber Jeck sein, als sich von Jecken verdummen lassen!«

Während der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) noch auf seinen Auftritt auf dem Wagen der konservativen Traditionskarnevalsgesellschaft »Große Kölner« warten mußte, nutzten die Antimilitaristen den Vorumzug, um auf jecke Art gegen den erzreaktionären Kölner Kardinal Joachim Meisner und seinen jährlichen Soldatengottesdienst zu protestieren: Sie wünschten ihm ein kräftiges »Hölle alaaf«, forderten »Schwerter zu Pflugscharen« und bedachten den »Gotteskrieger vom Rhin« mit Schmähliedern: »Mer losse d’r Dom en Kölle, den Meisner schmies mer fott.«


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