03.07.2007

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*   Reiselust mit Nachspiel
Von Pascal Beucker 

JUSTIZ. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Offenbar wurden in Köln händeringend Anlässe für Luxustrips von Aufsichtsräten gesucht.

KÖLN. Es wirbt für sich als "Hotel von atemberaubender Schönheit". Erst kürzlich trafen sich hier die Mächtigen der Welt zu ihrem G8-Gipfel: im Kempinski Grand Hotel in Heiligendamm. Keine preiswerte Unterkunft, aber dafür könne man hier "mit allen Sinnen genießen", so verspricht die Eigenwerbung. Hier stieg im März 2004 auch der Aufsichtsrat der Häfen und Güterverkehr Köln AG (HGK) ab. Nicht nur wegen der luxuriösen Unterkunft war es ein schöne Reise: Da die Verpflegung der Bahn auf der Strecke von Köln nach Rostock "als nicht ausreichend angesehen" wurde, gab´s Lunchpakete des Hotel Excelsior. Statt der ursprünglich nach Ankunft geplanten Fachveranstaltung wurde Kaffee und Kuchen im Strandcafé Hotel Schweriner Hof geboten. Und am folgenden Tag sorgte "Hein auf dem Schifferklavier" bei der Rundfahrt durch den Rostocker Hafen für ausgelassene Stimmung. Mittlerweile jedoch ist die gute Laune verflogen. Denn der Trip an die Küste könnte für die Beteiligten ein unangenehmes Nachspiel haben.

Anklagebehörde bezweifelt den Sinn vieler Touren

Die Luxus-Tour und eine ganze Reihe vergleichbarer Fahrten städtischer Unternehmen sorgen unter Kölner Politikern seit einiger Zeit für Unruhe - und das, wo man doch meinen möchte, dass die politische Landschaft dort nach den Skandalen der vergangenen Jahre so leicht nichts mehr erschüttern kann. Wegen der Reisen ermittelt die Kölner Staatsanwaltschaft gegen über hundert Kommunalpolitiker, Verwaltungsbeamte, Unternehmenschefs und Arbeitnehmervertreter. Der Vorwurf: Untreue. Die Ermittler bezweifeln den Sinn der meisten Touren, können bislang weder fachliche Gründe noch einen Nutzen fürs jeweilige Unternehmen erkennen. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Günther Feld, bestätigte, "dass gegen eine Vielzahl von Personen wegen der Teilnahme an Aufsichtsratsreisen ermittelt wird". Jüngsten Medienberichten zufolge wurde für Touren sogar händeringend nach Anlässen gesucht. Behördensprecher Feld wollte zu Einzelheiten der Ermittlungen nichts sagen: "Wir haben umfangreiche Akten sichergestellt."

Soviel aber ist gewiss: Wer in Köln seinen Platz in einem Aufsichtsrat der städtischen Beteiligungsgesellschaften oder auch der Sparkasse Köln-Bonn gefunden hatte, der konnte weit herumkommen. Dabei hatten die Ziele der Aufsichtsratsreisen in der Regel klangvolle Namen wie Athen, Paris, Stockholm oder Florenz. So ging es auch mit der Häfen und Güterverkehr Köln AG nicht nur nach Rostock und Heiligendamm, sondern auch nach Lissabon und Wien. Dorthin zog es ebenfalls die KölnKongress GmbH und die Abfallwirtschaftsbetriebe, die zudem noch einen Abstecher in Rom machten. Mit der Kölner Verkehrs-Betriebe AG gab´s Stippvisiten nach Istanbul, Moskau und Luxemburg, mit der Stadtbahngesellschaft Rhein-Sieg nach Budapest, Dresden und Luxemburg. Die Köln-Messe bot einen Trip nach Valencia, die Stadtentwässerung nach Amsterdam, der Wohnungskonzern GAG nach Leipzig. Bei der Sparkasse standen Besuche in Moskau, Istanbul oder Brüssel auf dem Programm.

Besonders interessiert sich die Staatsanwaltschaft für einen Ausflug des Aufsichtsrates des Kölner Energieversorgers GEW in die Toskana. 140 000 Euro soll der gekostet haben; inklusive Übernachtungen für 521 Euro pro Zimmer und Nacht im Hotel Excelsior Westin - sowie einem Hubschrauberflug zum 100 Kilometer entfernten Erdwärmekraftwerk in Lardarello. 24 000 Euro musste für den Hubschrauber bezahlt werden, die Busfahrt hätte 650 Euro gekostet. Dabei brachte der Flug nicht einmal einen Zeitgewinn, da die Delegation in zwei Gruppen geflogen wurde.

In vier Tagen Kosten in Höhe von etwa 75 000 Euro

Die "Lustreisen"-Untersuchungen gehen bis hinauf in die Stadtspitze. So sieht sich auch Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) wegen einer Reise der KölnMusik Betriebs- und Servicegesellschaft mbh nach St.Petersburg im Juli 2002 einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt. Schramma und neun weitere Aufsichtsratsmitglieder des Unternehmens, das die Kölner Philharmonie betreibt, sollen während der Russland-Reise in nur vier Tagen Kosten in Höhe von etwa 75 000 Euro verursacht haben. Laut "Spiegel" sollen alleine die Hotelkosten im Fünf-Sterne-Haus Grand Hotel Europe etwa 18 000 Euro gekostet haben.

Schramma, gegen den erst kürzlich ein Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem umstrittenen Bau der neuen Kölner Messehallen eingestellt wurde, hat alle Vorwürfe zurückgewiesen. Er verwehre sich "nachdrücklich gegen den vorsätzlich in der Öffentlichkeit erzeugten Eindruck einer missbräuchlichen Teilnahme an einem Luxustrip". Der Besuch in Petersburg habe "ausschließlich der Förderung von konkreten bilateralen Projekten der beiden Städte und Musikhäuser" gedient. Gleichwohl sieht er inzwischen Änderungsbedarf in Sachen Aufsichtsratsreisen. Er erwarte, dass das Justiz- und das Innenministerium des Landes klare gesetzliche Grundlagen schafften, sagte Schramma dem "Kölner Stadt-Anzeiger": "Bisher sind alle Ratsmitglieder in dem guten Glauben gefahren: Das war immer so, wir tun nichts Unrechtes."


AUCH EON RUHRGAS BESCHÄFTIGT NOCH DIE ERMITTLER

Bei den Ermittlungen in Köln geht es konkret um 27 Reisen, an denen mindestens 100 Personen teilgenommen haben - darunter das "Who is Who" der Kölner Kommunalpolitik. Die einzelnen Fälle können "nur sukzessive abgearbeitet" werden, so der Sprecher der Kölner Staatsanwaltschaft, Günther Feld, zur NRZ. Die Strafverfolger untersuchen nämlich immer noch die vermeintlichen "Lustreisen" von Politikern auf Einladung der Energieversorger Eon Ruhrgas und Thyssengas. Hier haben die Ermittler mehrere Hundert Personen im Visier - darunter Aufsichtsräte von Stadtwerken sowie Mandatsträger von Bund, Land und Kommunen.

In Essen beispielsweise sehen sich mehrere Aufsichtsräte der Stadtwerke, darunter der CDU-Bundestagsabgeordnete Norbert Königshofen, seit eineinhalb Jahren staatsanwaltlichen Ermittlungen ausgesetzt. Es geht um Kurzreisen mit "gasfachlichen Elementen" nach Barcelona(2003) und Budapest (2005) sowie ein feines Abendessen des Drei-Sterne-Kochs Dieter Müller im Luxushotel Schloss Lerbach. (NRZ)


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