04.05.2007

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taz

*   Die Leviten gelesen
Von Pascal Beucker 

Bundesweit Warnstreiks. Pfiffe und Buhrufe unterbrechen die Rede von Vorstandschef René Obermann auf der Hauptversammlung der Telekom in Köln. Sein Plan, 50.000 Mitarbeiter in billige Service-Gesellschaften auszulagern, macht die Angestellten wütend.

Der immer heftiger werdende Streit um die Auslagerung von 50.000 Arbeitsplätzen hat die gestrige Hauptversammlung der Telekom in Köln bestimmt. Vor der Tür der KölnArena protestierende Gewerkschafter, in der Halle eine aufgeheizte Stimmung - und dann noch Kornelia Dubbel. Zweimal versuchte der Aufsichtsratsvorsitzende Klaus Zumwinkel, die renitente Betriebsrätin zu drängen, dass sie doch zum Ende ihres Redebeitrags kommen solle. Zweimal handelte sich der Sitzungsleiter wütende Pfiffe und Buhrufe ein - und Dubbel redete weiter. Stolze 35 Minuten las die Vertreterin der Belegschaftsaktionäre unter häufigem Beifall - aber auch vereinzelten "Aufhören"-Rufen - den Vorstandsmännern um Konzernchef René Obermann die Leviten.

Dubbel warf dem Unternehmen "marode IT-Systeme, Personalabbau und unzumutbare Umstrukturierungen" vor. "Das Management hat es verbockt, die Mitarbeiter sollen zahlen", kritisierte sie. "Besinnen Sie sich auf einen fairen Umgang mit den Mitarbeitern, statt sie in ihrer Existenz zu bedrohen!", forderte Dubbel von Obermann. Er solle den Mut beweisen, seinen Kurs zu korrigieren: "Dieser Crashkurs fährt das Unternehmen an die Wand."

Vor Dubbel hatte Vorstandschef Obermann allerdings den 8.500 erschienenen Aktionären versichert, keinen Millimeter zurückzuweichen. Er habe zwar "Verständnis dafür, dass die geplanten Einschnitte bei unseren Beschäftigten zumindest teilweise auf Ablehnung stoßen". Aber es dürfe auch nicht übersehen werden, dass "auch der Kapitalmarkt Forderungen an uns hat, denen wir gerecht werden müssen". Wegen der "zum Teil gravierenden Kostennachteile im inländischen Wettbewerb" sei eine deutliche Kostenreduzierung unumgänglich. "Viele Unternehmen würden angesichts solcher Zahlen die entsprechenden Betriebszweige schließen und verlagern." Die Mitarbeiter sollten sich daher für das Angebot der Unternehmensführung entscheiden. Die Tür für eine Einigung mit Ver.di bleibe offen, betonte Obermann.

Die Gewerkschaft blockiere alles. Deshalb müsse sich der Vorstand "jetzt mit einem möglichen Verkauf von Teilen der Servicebereiche an Drittanbieter auseinandersetzen", drohte der 44-Jährige. "Es ist schwierig, es allen recht zu machen", reagierte er auf die Pfiffe, Buh- und "Lügner"-Rufe von Belegschaftsaktionären, die immer wieder seine Rede unterbrachen. Um "unsere Solidarität zum Ausdruck zu bringen" wolle der Vorstand auf ein Monatsgehalt verzichten, so Obermann. "Ich möchte als Vorstandsvorsitzender meiner besonderen Verantwortung gerecht werden und verzichte in diesem Jahr auf zwei Monatsgrundgehälter." Gemäß Vorstandsvergütung des Jahres 2006 verzichtet er damit auf mindestens 150.000 Euro.

Unterstützung erhielt Obermann erwartungsgemäß von Deutschlands größter Investmentfondsgesellschaft DWS. "Unverständlich ist, dass von Seiten der Gewerkschaft keine Bereitschaft zu erkennen ist, auf nicht marktkonforme Monopolprivilegien zu verzichten", sagte DWS-Geschäftsführer Klaus Kaldemorgen unter Pfiffen. Auch mehrere Kleinaktionärsvertreter unterstützten die Vorstandspläne und attackierten die Gewerkschaft. Es könne jedoch nicht gut gehen, wenn den Beschäftigten dauerhaft Löhne gezahlt würden, die deutlich über dem Marktniveau lägen, sagte Lars Labryga von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). Für heftigste Unmutsäußerungen im Auditorium sorgte dabei Hans Richard Schmitz von der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW), der zugunsten einer höheren Dividende dem Vorstand ein noch rabiateres Vorgehen empfahl: "Die Zeiten der Sozialromantik sind nun einmal vorbei."

Heute wird die Große Tarifkommission Ver.dis über eine Urabstimmung für einen Streik entscheiden. Ver.di rechnet mit einer hohen Streikbereitschaft.


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