09.05.2007

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taz

*   Der Zirkusdirektor als Friedensstifter
Von Pascal Beucker 

Es war Anfang der 50er-Jahre, als Josef "Jupp" Steinbuschs Spielkamerad jenes verrostete Metallstück auf der Müllkippe am Rande der Bergarbeitersiedlung Alsdorf-Kellersberg fand: eine Handgranate aus dem Zweiten Weltkrieg. Das "Kriegsspielzeug" explodierte in der Hand Hartmuts und zerriss seinen kleinen Körper in Fetzen. Die Erinnerung an das fürchterliche Unglück hätte sich ihm "unauslöschlich in meine Seele und mein Gedächtnis eingebrannt", berichtet der damals neun Jahre alte Steinbusch.

Der heute 64-jährige Gründer des Aachener Kinderzirkus "Pinocchio" ist sich "sicher, dass diese Erinnerungsbilder der Motor sind, der mich antreibt, und die Quelle sind, aus der ich die Kraft schöpfe, mich mit dem Schicksal und dem Leid der bosnischen, kroatischen und serbischen Kriegskinder zu identifizieren und zu solidarisieren". Für sein humanitäres Engagement auf dem Balkan erhält der Diplom-Sozialarbeiter den diesjährigen Aachener Friedenspreis, wie die Jury gestern bekannt gab.

Ohne besondere Fachkenntnisse als Artist oder Zirkusprofi gründete Josef Steinbusch Mitte der 90er-Jahre seinen Kinderzirkus. Unter dem Motto "Tränen, die du lachst, brauchst du nicht zu weinen" zieht der frühere Bewährungshelfer beim Landgericht Aachen seit 1996 nun Jahr für Jahr in den Sommerferien mit wechselnden ehrenamtlichen Helfern für anderthalb Monate durch Städte und Dörfer in Bosnien, Kroatien und Serbien. Als Zirkusdirektor und Zauberclown "Juppino" studiert er in Sarajevo, Tuzla, Banja Luka oder Srebrenica mit den Kindern Clowns-, Zirkus- und Jonglage-Nummern ein. Steinbusch, von der heilenden Kraft des Lachens überzeugt, will den häufig traumatisierten Kindern damit neuen Lebensmut und Lebenskraft vermitteln.

Inzwischen hat Steinbusch seinen Aktionsradius auch noch ins bürgerkriegsgezeichnete Belfast und in das russische St. Petersburg ausgedehnt, wo "Pinocchio" in einem riesigen Heim mit rund 3.000 Straßenkindern gastiert. Den Kontakt dorthin vermittelten ihm die - 2004 mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichneten - Petersburger Soldatenmütter.

Steinbusch bringe "Kindern das Lachen, denen es an fast allem und vor allem an Liebe und Herzlichkeit fehlt", heißt es in der Begründung für seine Auszeichnung mit dem Aachener Friedenspreis. Wie auch der zweite Preisträger - das Friedensdorf San José de Apartadó in Kolumbien - setze er sich "vorbildlich ,von unten' für den Frieden und konkret für vom Krieg bedrohte beziehungsweise traumatisierte Menschen ein". Den Preis verliehen bekommt Steinbusch am 1. September, dem Antikriegstag.


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