14.05.2007

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*   Härtere Bandagen im Streik bei der Telekom
Von Pascal Beucker 

Die Gewerkschaft Ver.di weitet den Arbeitsausstand aus. Die Geschäftsführung sucht Streikbrecher. Es geht um 50.000 Jobs.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di will ihre Streiks bei der Deutschen Telekom AG ausweiten. Statt bisher 11.000 würden ab dem heutigen Montag 14.000 Beschäftigte in den Ausstand treten, sagte Ver.di-Streikleiter Ado Wilhelm der taz. Grund sei die "starre Haltung der Konzernführung".

Der Telekom-Vorstand solle "endlich ein vernünftiges Verhandlungsangebot vorlegen, anstatt mit wilden Drohungen den Konflikt zu eskalieren", forderte Wilhelm. Auch private Telekom-Kunden bekämen die Auswirkungen zu spüren. "Das lässt sich leider nicht vermeiden."

Konzernchef René Obermann hatte in Bild am Sonntag gedroht: "Wenn es zu keiner Lösung kommt, könnten wir zu Verkäufen von Service-Sparten gezwungen sein, um die Kosten in den Griff zu kriegen." Für die Mitarbeiter sei "das sicher die schlechtere Lösung". Außerdem könne er eine Übernahme aus dem Ausland mittelfristig "nicht ausschließen". Das Unternehmen müsse also "konkurrenzfähiger werden".

Wilhelm bezeichnete die Verkaufsdrohung als haltlos: "Das wäre kompletter Blödsinn." Wer seinen Service abstoße, "kann auch gleich das ganze Unternehmen verkaufen". Der Streikleiter warf dem Management vor, mit unlauteren Mitteln gegen den Streik vorzugehen. Es sei eine "Ungeheuerlichkeit", dass die Telekom eine Streikbrecherprämie von 300 Euro ausgelobt habe. Das sei "eine Beleidigung für jeden Streikenden". Zudem versuche die Geschäftsführung, Streikbrechereinsätze über Leih- und Zeitarbeitnehmer zu organisieren - und rechtswidrig "Kolleginnen und Kollegen, die ihr Grundrecht wahrnehmen, unter Druck zu setzen. Einem Teil der Mitarbeiter sei mit Kündigung gedroht worden, bei anderen seien Diensthandys eingesammelt und SMS kontrolliert worden, "um nachzugucken, wie wir uns organisieren".

Bisher habe sich die Gewerkschaft "noch sehr moderat verhalten", sagte Wilhelm. Aber "solche Praktiken" seien nicht hinnehmbar. Deshalb werde er auch nicht ausschließen, dass das Treffen der Staats- und Regierungschefs der sieben reichsten Industrienationen und Russlands Anfang Juni in Heiligendamm von den Auswirkungen des Streiks betroffen sein könnte. "Wir bestreiken nicht den G-8-Gipfel", sagte Wilhelm. Aber die für den Aufbau der dort benötigten Telekommunikationsinfrastruktur zuständigen Telekom-Niederlassungen seien nun einmal "ganz normale potenzielle Streikobjekte".

Obermann hatte die Gewerkschaft davor gewarnt, den G-8-Gipfel zu sabotieren: "Ich gehe davon aus, dass Ver.di hier letztlich Verantwortung zeigt." Der Telekom-Chef betonte: "Wir tun alles, was in unserer Macht steht, um alle Dienstleistungen für ein Gelingen des Gipfels sicherzustellen."

Die am Freitag begonnenen Arbeitsniederlegungen sind die ersten bei der Telekom seit der Privatisierung vor zwölf Jahren. In einer Urabstimmung hatten die gewerkschaftlich organisierten Tarifbeschäftigten mit 96,5 Prozent für den Streik gestimmt. Sie protestieren damit gegen die Pläne der Konzernführung, 50.000 Mitarbeiter ab dem 1. Juli in eigenständigen Tochterfirmen unter der Dachbezeichnung T-Service auszulagern. Die Beschäftigten sollen in den ausgelagerten Firmen länger arbeiten und weniger verdienen.


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