31.05.2007

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taz

*   Gezielte Provokation
Von Pascal Beucker 

Morddrohungen, Tumulte bei Anhörungen, Provokationen durch Rechtspopulisten - im Streit über den Bau einer Moschee in Köln ist den Gegnern jedes Mittel recht. Nur die Anwohner haben kein Interesse an einer ideologischen Diskussion über den Islam.

Die Versammlung hat kaum begonnen, da platzt Sitzungsleiter Josef "Jupp" Wirges bereits das erste Mal der Kragen. "Wenn Sie weiter so reden, dann haben Sie heute Abend frei", poltert der rustikale Bezirksvorsteher am Dienstagabend in die mit rund 800 Menschen voll besetzte Aula des Gymnasiums Kreuzgasse. Ziel seines Unmut: Aktivisten der sogenannten Bürgerbewegung pro Köln. Mit permanenten Zwischenrufen versuchen sie die Stimmung auf der Bürgeranhörung zum geplanten Bau einer neuen repräsentativen Moschee im Kölner Stadtteil Ehrenfeld anzuheizen. Bis Wirges endgültig genug hat. Nach mehreren Ermahnungen und nachdem ihn auch noch einer der aggressiv auftretenden Pöbler als "Nazi" tituliert, sieht der Sozialdemokrat rot: Er verweist die Störer des Saales. Doch die wollen nicht gehen. Was folgt, sind Tumulte. Für kurze Zeit scheint die Veranstaltung auf der Kippe zu stehen. Bis Sicherheitskräfte und Polizei die Verwiesenen aus dem Saal bugsieren. Die Atmosphäre entspannt sich.

Das Störmanöver scheint geplant. Offenkundig will sich "Pro Köln" vor den zahlreich erschienenen Journalisten in Szene setzen. Die im Kölner Rat vertretene rechtsextreme Vereinigung sieht sich als "Speerspitze des Widerstands" gegen den geplanten Moscheeneubau. Seit Monaten macht sie mobil dagegen. Seitdem sich auch der Publizist Ralph Giordano öffentlichkeitswirksam dagegen ausgesprochen hat, sehen sich die Rechten im Aufwind - obwohl der 84-jährige Publizist sie gleichzeitig als "lokale Variante des zeitgenössischen Nationalsozialismus" bezeichnete. "Nach dem Motto von Clausewitz ,getrennt marschieren - vereint schlagen' vergrößern sich durch Giordanos profilierte Stellungnahme unsere Chancen, den Großmoschee-Bau verhindern zu können", jubilierte trotzdem der "Pro Köln"-Chef Markus Beisicht. Doch er könnte sich täuschen.

Auch wenn so manch Anwohner noch nicht seinen Frieden mit dem Bau gemacht hat, so zeigte sich auf der Bürgerversammlung doch, dass die meisten kein Interesse an einer ideologischen Grundsatzdiskussion über den Islam haben: Vor allem Bedenken angesichts der bereits heute bestehenden hohen Verkehrsbelastung in ihrem Stadtteil plagen die Menschen. Sie fürchten, dass es beim Freitagsgebet zum Kollaps auf den Straßen kommen wird - Sorgen, die auch der Kölner Planungsdezernent Bernd Streitberger nicht wirklich ausräumen konnte. Insgesamt diskutieren Befürworter und Kritiker an diesem Dienstag bis tief in die Nacht miteinander: rund dreieinhalb Stunden - sachlicher und konstruktiver, als so manche im Vorfeld erwartet hatten. Noch bis 8. Juni können die Anwohner ihre Bedenken und Anregungen beim Bezirksamt einreichen. Bis zum Jahresende könnte dann die Baugenehmigung vorliegen.

Bauherr der geplanten neuen Moschee ist die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB). Bisher residiert sie in den viel zu kleinen Räumlichkeiten eines schmucklosen ehemaligen Gewerbebetriebes an der Venloer Straße. Nun will die Stadt den Bebauungsplan ändern, damit DITIB auf ihrem Gelände an der Venloer Straße anstelle der jetzigen Moschee eine neue, größere bauen kann. Entstehen sollen ein Gotteshaus für 2.000 Personen und ein islamisches Kultur- und Bildungszentrum. CDU, SPD, FDP, Grüne und Linkspartei im Kölner Rat unterstützen das Bauvorhaben, ebenso die beiden großen christlichen Kirchen in Köln.

Den Wettbewerb für den Neubau hat der Kölner Architekt Paul Böhm gewonnen, der sich zuvor bei Kirchenbauten einen Namen gemacht hat. Sein Entwurf sieht ein viergeschossiges Gebäude vor, dazu einen etwa 35 Meter großen Kuppelbau und zwei Minarette mit einer Höhe von etwa 55 Metern. Der Ruf des Muezzins soll auch in Zukunft lediglich im Inneren des Gebetsraums zu hören sein.


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