28.09.2007

Startseite
taz

*   Der nette Muslim von nebenan
Von Pascal Beucker

Bekir Alboga ist neuer Sprecher des Koordinierungsrats der Muslime. Die Idee von Wallraffs Lesung der "Satanischen Verse" in einer Moschee unterstützte er vergeblich.

Bekir AlbogaEs hätte ein spektakulärer Coup werden können. Eine Lesung der "Satanischen Verse" in der geplanten neuen Kölner Zentralmoschee hatte Günter Wallraff unlängst Bekir Alboga vorgeschlagen. Und der Dialogbeauftragte der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) sagte zu, sich für die Idee einsetzen zu wollen.

"Wenn alle Muslime so wären, hätten wir längst einen toleranten liberalen Euro-Islam", schwärmte Wallraff. Sind sie aber nicht. In dieser Woche kam die harsche Absage: "Selbstverständlich würde eine solche Lesung in einer Moschee die religiösen Gefühle der Muslime verletzen", verkündete Ditib. Daher käme eine solche Veranstaltung "nicht in Frage". Der Dialogbeauftragte Alboga hatte die Dialogfähigkeit seiner Organisation überschätzt.

Gleichwohl hätte der vor einem halben Jahr gegründete Koordinierungsrat der Muslime (KRM) sich nicht besser entscheiden können, als am gestrigen Donnerstag den ausgebildeten Imam zu seinem neuen Sprecher zu machen. Denn Alboga verkörpert wie kaum ein anderer den netten Muslim von nebenan. Gerne erzählt der 44-Jährige die Anekdote, wie er im vergangenen Jahr als Gast bei "Sabine Christiansen" erst ein- und dann wieder ausgeladen wurde: "Meine Ansichten seien zu gemäßigt, hieß es, sie bräuchten einen radikalen Muslim für die Sendung."

Der 1963 im türkischen Doganhisar in der Nähe von Konya geborene Alboga stammt aus einem "Gastarbeiter"-Elternhaus - von dem er lange getrennt war. Sein Vater stand mehr als 20 Jahre in Kassel bei VW am Band. "Er war einer von 'ganz unten'", sagt Alboga in Anspielung an den Wallraff-Bestseller. Er selbst wuchs bei Verwandten auf, folgte erst nach seinem Oberschulabschluss an einer islamischen Predigerschule 1980 seinen Eltern. Er studierte in Göttingen unter anderem Kommunikationswissenschaften und Publizistik. Von 1995 bis 2004 war er stellvertretender Imam an der Mannheimer Yavuz-Sultan-Selim-Moschee. Seit April 2007 leitet der dreifache Familienvater das Referat für interreligiöse und interkulturelle Zusammenarbeit in der Kölner Ditib-Zentrale.

Alboga, der einen auf fromme Innerlichkeit setzenden Sufismus vertritt, sieht sich als "Brückenbauer" zwischen Islam, Judentum und Christentum. Als Sprecher des Koordinierungsrats übernimmt er eine schwere Aufgabe. Das Gebilde KRM ist fragil wie umstritten, gehören der muslimischen Dachorganisation neben der eng mit dem türkischen Staat verbandelten Ditib und dem eher obskuren Verband der Islamischen Kulturzentren auch noch der Islamrat und der Zentralrat der Muslime an. Beide haben Mitgliedsvereine, die vom Verfassungsschutz beobachtet oder als wenig integrationsfördernd eingestuft werden.


© Pascal Beucker. Alle Rechte an Inhalt, Gestaltung, Fotos liegen bei dem Autoren. Direkte und indirekte Kopien, sowie die Verwendung von Text und Bild nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung des Autoren.