19.10.2007

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taz

 Das grüne Fallbeil
Von Pascal Beucker

Robert Zion ist zur prominenten Reizfigur der Grünen geworden. Auf dem nächsten Parteitag könnte er wieder zu einer Abrechnung ansetzen.

Robert ZionWas er als Nächstes plant? Seit dem Sieg auf dem Göttinger Afghanistanparteitag, als Robert Zion die grüne Nomenklatura beinahe im Alleingang das Fürchten lehrte, trauen ihm viele so manches zu. Den Rausschmiss von Daniel Cohn-Bendit? Den Sturz des Bundesvorstands? Würde ihm vielleicht ein Bundestagsmandat reichen? Zion schmunzelt. Als Nächstes bereite er eine dreibändigen Werkausgabe der Romane des vor den Nazis in die USA emigrierten Schriftstellers Curt Siodmak vor. "Wenn ich wieder Zeit finde."

Vielleicht wird es zeitlich eng mit der Werkausgabe. Schon Ende November könnte es zum nächsten Showdown kommen: auf dem Bundesparteitag in Nürnberg. Nach der Friedens- wird es nun um die soziale Frage gehen - und dabei nicht zuletzt um die Aufarbeitung rot-grüner Regierungszeit, sprich um die Agenda 2010 und um Hartz IV.

Gerüchte, er bereite einen eigenen Antrag vor, nennt Zion zwar Unsinn. Aber eine Meinung hat er: "Der Fehler war, sich die größte Sozialreform, die diese Republik je erlebt hat, in nicht unwesentlichen Teilen vom Personalchef einer Automobilfirma schreiben zu lassen." Denn schließlich sei diese Gesellschaft "keine Automobilfirma". Es sei Zeit, "über grundlegende Alternativen wie etwa das Grundeinkommen für alle nachzudenken".

In Nürnberg werden sich die Kameras also wieder auf den Mann aus Gelsenkirchen richten. Der Rummel ist dem 41 Jahre alten gelernten Koch und diplomierten Sozialwissenschaftler nicht ganz geheuer. Er hatte nicht damit gerechnet, als er gemeinsam mit einigen Parteifreunden die Initiative für einen Sonderparteitag zu Afghanistan ergriff. Doch spätestens seit sich im September in Göttingen die Mehrheit der Delegierten für den von ihm mitformulierten Antrag entschied, sieht es anders aus. Ein "Crashkurs deutsche Medienlandschaft" sei das wohl gewesen, was da über ihn hereinbrach, sagt er. Die Öffentlichkeit brauche die Dramatisierung und Personalisierung von Politik, ihm sei das jedoch "total unlieb". Schließlich sei sein Parteitagserfolg eine Gemeinschaftsproduktion gewesen.

Inzwischen hat der Bundestag das Afghanistanmandat verlängert. Dass 15 grüne Abgeordnete dafür, sieben dagegen gestimmt und sich 28 enthalten haben, wertet Zion als "Erfolg für die Parteibasis". Damit hätten sich über zwei Drittel der Parlamentarier dem Parteitagsvotum angeschlossen.

Zion zieht einigen Ärger auf sich. Ein grüner Bundestagsabgeordneter, der sicherheitshalber ungenannt bleiben will, sagt: "Wenn Zion die Partei zum Abklatsch Lafontaines machen will, wird es Ärger geben." Dabei findet Zion, Die Linke habe nichts als "Sozialismusromantizismen" anzubieten.

Daniel Cohn-Bendit sah sich genötigt, Zion einen offenen Brief zu schreiben: "Ein Blick in die Französische Revolution würde dir zeigen, dass die ,Kopf-ab-Mentalität' der Jakobiner fatale Folgen für die demokratische Substanz eines revolutionär-gesellschaftlichen Prozesses hat." In einem ebenfalls offenen Brief an die Bundestagsfraktionschefs hatte Zion zuvor über Cohn-Bendit geschrieben: "Dieser Mann ist für diese Partei kaum noch tragbar und zu ertragen, auch das wissen wir seit Göttingen."

Dass sich der berühmteste grüne Kreisschriftführer der Welt bei der Bundestagswahl um einen aussichtsreichen Platz auf der nordrhein-westfälischen Landesliste bewerben wird, halten grüne Strategen für ausgemacht. Sie räumen ihm beste Chancen ein. Doch das Attac-Mitglied weist solche Spekulationen als "Quatsch" zurück.

Eingetreten in die Grünen ist Zion 2002 - zu einer Zeit, als andere desillusioniert von Rot-Grün der Partei den Rücken gekehrt hatten. Vielleicht hat das mit seiner Vorliebe für Horrorfilme zu tun. Seine Biografien über Trashregisseur William Castle und Horrorschauspieler Vincent Price heißen "Die Macht der Dunkelheit" und "Die Kontinuität des Bösen". Bei den Grünen setzt Zion nun auf Veränderung. In einem schmerzhaften Prozess habe die Gründergeneration gelernt, regierungsfähig zu werden. Jetzt sei es nötig, "unsere Oppositionsfähigkeit wieder zu erlernen". Dazu gehöre neben "schonungsloser Aufarbeitung des Systems Fischer" ein "Generationenumbruch". Für manche an der Grünen-Spitze ist das in der Tat eine Horrorvorstellung.


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